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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 486 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

Darüber hinaus ist es für die sozialen Dienste im Jugendalter grundlegend, dass der Schutz von jungen Menschen<br />

gegenüber Übergriffen und die Stärkung ihrer persönlichen Rechte in der Qualitätsentwicklung und den<br />

zu überprüfenden Qualitätsstandards im institutionellen Gefüge des Aufwachsens verankert und entsprechend<br />

strukturell abgesichert werden. Diese Aufgabe kann nicht allein den jeweiligen einzelnen sozialen Diensten und<br />

Organisationen – z. B. der Kinder- und Jugendhilfe, den sozialen Diensten am Arbeitsmarkt, den Medien, den<br />

Bildungseinrichtungen, der Kinder- und Jugendarbeit und den gesundheitsbezogenen Diensten – überlassen<br />

bleiben. Es ist grundlegend, dass jede Organisation hier Schutzkonzepte entwickelt.<br />

Dennoch muss diese Aufgabe – der Schutz der persönlichen Rechte von Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />

– auch stärker in der Bildungsinfrastruktur sowie der regionalen und überregionalen Kinder- und Jugendhilfe<br />

verankert und durch entsprechende Beratungs- und Begleitungsangebote für die jungen Menschen und Organisationen<br />

abgesichert werden. Ein wichtiger Baustein hierfür könnten Ombudsstellen sein, die dann allerdings<br />

nicht beim öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe anzusiedeln wären, sondern eine unabhängige organisationale<br />

Absicherung und Position innehaben sollten.<br />

Weiterhin besteht ein Klarstellungsbedarf, wer die Betroffenen- und Selbstorganisationen junger Menschen<br />

strukturell und finanziell unterstützt und wie dies geschieht. In diesem Zusammenhang erscheint Beteiligung zu<br />

häufig allein auf die Koproduktion von Hilfe reduziert und nicht in ein Konzept der Demokratisierung sozialer<br />

Dienste eingebunden. Insbesondere die Prozesse der Hilfeplanung und der Leistungsbewilligung und vor allem<br />

die gesundheitsbezogenen Dienste sind hier in ihrer partizipativen Anlage weiterzuentwickeln und nicht diagnostisch<br />

eng zu führen. Übergreifend ist eine neue Kultur der Nachhaltigkeit in den sozialen Diensten zu entwickeln.<br />

Dies schließt eine Kultur des Wiedersehens nicht nur in der kommunalen Kinder- und Jugendhilfe ein,<br />

sodass jungen Menschen verbesserte Möglichkeiten eröffnet werden, sich auch im jungen Erwachsenenalter<br />

noch an die sozialen Dienste zu wenden, die sie betreut haben. Dies kann aber nur gelingen, wenn Betroffenund<br />

Selbstorganisationen insgesamt, auch über die Hilfeplanungsprozesse hinaus, stärker strukturell in die Gestaltung<br />

der Kinder- und Jugendhilfestruktur integriert werden.<br />

‣ Geflüchtete junge Menschen sind Jugendliche und junge Erwachsene<br />

Geflüchtete junge Menschen sind in erster Linie als Jugendliche und junge Erwachsene anzusehen,<br />

die z. B. Peergroups suchen und sich ebenfalls mit Qualifizierungs-, Selbstpositionierungs- und<br />

Verselbstständigungsprozessen konfrontiert sehen, die ihnen aber hinsichtlich der sozialen Verwirklichungschancen<br />

undurchsichtig bleiben. So haben geflüchtete junge Menschen ein Recht darauf,<br />

dass ihnen transparent gemacht wird, welche Rechte, Perspektiven und Chancen sie in der<br />

Bundesrepublik Deutschland haben. Auch müssen sie vor rassistischen und diskriminierenden Zuschreibungen<br />

und Übergriffen geschützt werden. Folglich sind belastbare Infrastrukturen in den<br />

Kommunen zu entwickeln, die auf fachlichen Standards basieren. Zudem ist die zivilgesellschaftliche<br />

Unterstützung von jungen Geflüchteten systematisch und politisch zu stärken.<br />

Die Entwicklungen seit 2015 haben gezeigt, dass die Kinder- und Jugendhilfe und die sozialen Dienste im Jugendalter<br />

insgesamt auf den Zustrom junger Geflüchteter fachlich nur unzureichend vorbereitet waren. Umso<br />

beachtlicher sind ihre Leistungen in vielen Kommunen anzuerkennen. Ihre Fachkräfte und zivilgesellschaftlich<br />

engagierte Bürgerinnen und Bürger haben im vergangenen Jahr an vielen Stellen vor Ort gezeigt, dass die Kinder-<br />

und Jugendhilfe eine offene und krisenfeste Infrastruktur für junge Menschen sein kann. Es wurde aber<br />

auch sichtbar, dass vielerorts die Gruppe der geflüchteten jungen Menschen – ob begleitet oder unbegleitet –<br />

bisher nicht in erster Linie als Jugendliche und junge Erwachsene im Horizont der sozialen Dienste und ihrer<br />

fachlichen Entwicklung wahrgenommen wurden. Nach der Bewältigung der Situation im Jahr 2015 und zu Beginn<br />

des Jahres 2016 ist somit für die Zukunft eine fachlich fundierte, belastbare Infrastruktur in den Kommunen<br />

zu etablieren, die den Ansprüchen und Standards eines sozialen Rechtstaats, der sozialen Dienste in<br />

Deutschland sowie des supranationalen Rechts (z. B. UN-Konventionen) gerecht wird. Diese Herausforderung<br />

besteht auf den unterschiedlichen Ebenen von den sozialen Diensten selbst über die Kommunal-, Landes- und<br />

Bundesbehörden bis hin zur Ausbildung von Fachkräften.<br />

Gegenwärtig gehört es zur Lebenslage geflüchteter junger Menschen – auch im Vergleich zu den meisten anderen<br />

in Deutschland lebenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen –, dass sie sich in einer migrationspolitisch<br />

gespaltenen Gesellschaft einleben müssen. Je nachdem, wo junge Geflüchtete ankommen, treffen sie entweder<br />

auf eine in hohem Maße zivilgesellschaftlich getragene Willkommens- und Unterstützungskultur, die weit in die<br />

professionellen Fachpraxen und Behörden reicht, oder auf eine eher verwaltende und sich auf das Notwendigste

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