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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 254 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

offen, sind orts- und auch situationsübergreifend erreichbar und können sowohl individuell als auch gemeinschaftlich<br />

ausgestaltet werden (vgl. Kap. 4). Die Intensität, mit der die Räume genutzt werden, variiert. Sie werden<br />

sowohl zur Überbrückung von Zwischenräumen eingesetzt (z. B. zur Kommunikation oder zum Mobilspiel<br />

in öffentlichen Verkehrsmitteln) (Hugger/Tillmann 2015; Best/Engel 2016), als auch dazu „im Flow“ (Csikszentmihalyi<br />

1993; Fritz 1995), also in der kommunikativen Aktivität aufzugehen (z. B. vernetztes digitales<br />

Spiel). Die Identitätssuche und der Wunsch nach Selbstbestimmung spiegeln sich dann insbesondere im Rahmen<br />

einer zeitintensiveren Nutzung der Online-Räume wieder (vgl. Kap. 4), hier werden dann von Erwachsenen<br />

problematische Aneignungsmuster identifiziert.<br />

An Attraktivität gewinnen Online-Räume für Jugendliche umso mehr, je weniger öffentliche Orte ihnen zur<br />

Verfügung stehen. Insbesondere vor dem Hintergrund eines Diskurses um die Verdrängung Jugendlicher aus<br />

dem öffentlichen Raum, stellen sich Online-Räume daher für Jugendliche in höchstem Maße attraktiv dar, da<br />

ihnen die digital-vernetzte Infrastruktur neben dem sozialräumlichen Nahfeld zahlreiche und aus der Perspektive<br />

der Verselbstständigung und Selbstpositionierung teils attraktivere Möglichkeitsräume der Selbstbestimmung,<br />

Eigenverantwortung und Autonomie bietet.<br />

Jugendliche bewegen sich damit zwar in weitgehend unkontrollierten, aber nur auf den ersten Blick auch unverregelten<br />

und unbeobachteten Räumen. Die neuen Beobachterinnen und Beobachter sind seltener Eltern oder<br />

Pädagoginnen und Pädagogen (wenn sich diese z. B. als „Freundinnen oder Freunde“ in Sozialen Netzwerken<br />

anbieten), sondern vor allem Unternehmen, die (unbeobachtet) Daten von Jugendlichen sammeln, analysieren<br />

und in vorher nicht antizipierten Kontexten weiterverwenden (vgl. Kap. 4). Die Kommunikation von Jugendlichen<br />

ist zudem auch nur begrenzt frei bzw. selbstbestimmt, da sich Jugendliche online ebenfalls in vorstrukturierten<br />

Räumen bzw. Netzwerkarchitekturen, vor allem von kommerziellen Anbieterinnen und Anbietern bewegen<br />

und hier dann auch auf spezifische soziale Bedingungskonstellationen treffen, die in Kombination mit vorhandenen<br />

oder fehlenden sozialen und kulturellen Ressourcen soziale Ungleichheiten begründen und verstärken<br />

können (Kutscher/Otto 2010) (vgl. Kap. 4).<br />

Jugendliche switchen somit zwischen teils mehr und teils weniger kontrollierten oder beobachteten On- und<br />

Offline-Räumen hin und her, verbinden diese aktiv und bewusst, sodass diese Räume für sie eine Erweiterung<br />

des sozialen Nahraums darstellen und selbstverständlich auch zur Bearbeitung von Identitätsfragen in Dienst<br />

genommen werden (vgl. Abs. 4.2). Die Rahmenbedingungen der Online-Räume bzw. die zunehmend digitalvernetzte<br />

Infrastruktur begründet aber auch neue Spannungsfelder. Immer etwas verpassen zu können, dadurch<br />

nicht mehr mitreden zu können und jederzeit für Peers erreichbar zu sein, verlangt Jugendlichen auf der Suche<br />

nach individuellen Freiräumen einiges an Kompetenzen und Selbstbewusstsein, aber auch an Selbstdisziplinierung<br />

und Selbstkontrolle ab.<br />

Porträt 3-6<br />

Wochenplan Alexander, 19 Jahre<br />

Alexander ist 19 Jahre alt und besucht eine Berufsschule, an der er eine Ausbildung zum Physiotherapeuten<br />

absolviert. Er wohnt mit seinen Eltern in einer Kleinstadt im Osten Deutschlands. Alexander hat zwölf Jahre<br />

das Gymnasium besucht (inkl. einer Klassenwiederholung) und schließlich mit einem erweiterten Realschulabschluss<br />

die Schule verlassen.<br />

In seiner Freizeit geht er „mit großer Leidenschaft zum Krafttraining und ins Fitnessstudio“, früher hat er „eine<br />

Menge Vereinssportarten gemacht“ wie Turnen und Fußball. Ab und zu geht er auch heute noch gern zum<br />

Turnen.<br />

An den Wochentagen hat Alexander morgens seine täglichen Routinen: 6.10 klingelt sein Wecker, 20 Minuten<br />

später steht er auf und geht ins Bad zum „duschen und fertig machen“. Danach fährt er mit dem Auto 36<br />

km zu seiner Berufsschule und holt zwischendurch noch eine Mitschülerin ab. In der Schule angekommen<br />

trinkt er erst einmal einen Kaffee und raucht noch eine Zigarette, bevor er zum Unterricht geht. Ab 8.00 Uhr<br />

ist Unterricht, der an den meisten Tagen bis 15.00 Uhr dauert. Nur Freitag ist in Sachen Schule „ein kurzer<br />

und angenehmer Tag“, da der Unterricht um 13.20 Uhr zu Ende ist. Mittwochs ist für Alexander dagegen der<br />

anstrengendste Tag, da er „acht vollgepackte Fächer (hat), welche zwar interessant und wichtig sind, aber jedoch<br />

eine Menge abverlangen“. Der Donnerstag „ist eigentlich entspannt“, da sich hier theoretische und prak-

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