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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 279 – Drucksache 18/11050<br />

modellen im Internet und richten ihr Handeln auch weniger an der Kritik aus (Shell Deutschland Holding 2015,<br />

S. 133).<br />

Welche Daten werden preisgegeben? Im Jahr 2013 hatten 67 Prozent der Jugendlichen in ihrer Community oder<br />

an anderer Stelle im Internet Fotos oder Filme von sich selbst hinterlegt und 43 Prozent Fotos oder Filme von<br />

Freunden oder Familienmitgliedern. Informationen über Hobbies und Freizeitaktivitäten wurden von 62 Prozent<br />

veröffentlich, bei 43 Prozent gilt dies auch für die E-Mail-Adresse. Deutlich sparsamer im Umgang mit persönlichen<br />

Daten sind die Jugendlichen, wenn es um die eigene Telefon- oder Handynummer geht (5 %; Medienpädagogischer<br />

Forschungsverbund Südwest 2013, S. 42). Erkennbar ist dabei auch, dass die befragten Jugendlichen<br />

nicht alle ihre Daten öffentlich zugänglich machen, sondern einen Großteil der Informationen schützen,<br />

indem sie diese nur für ihre Freundinnen und Freunde in der Community sichtbar machen (ebd.).<br />

Eine qualitative Studie mit 63 in Deutschland lebenden Jugendlichen im Alter von 13 bis 19 Jahren zeigte ebenfalls,<br />

dass Jugendliche ihren Umgang mit persönlichen Informationen durchaus reflektieren – mit dem vornehmlichen<br />

Ziel, peinlichen Situationen vorzubeugen oder sich vor Imageschäden zu schützen (Wagner/Brüggen<br />

2013, S. 121). Im Vordergrund steht für sie nicht die „Vermessung“ durch unbekannte Dritte, sondern die „Kontrolle“<br />

bzw. „Überwachung“ durch Bekannte. Zu ähnlichen Erkenntnissen gelangt Boyd in ihrer Untersuchung<br />

mit US-amerikanischen Jugendlichen. Die Jugendlichen fühlen sich hier in erster Linie von Eltern und Lehrerinnen<br />

und Lehrer „überwacht“; daran, dass der Staat und die Unternehmen Interesse an ihren Daten haben<br />

könnte, denken die befragten Jugendlichen zunächst nicht. Strategien, die Jugendliche zur Reduzierung der<br />

Überwachung entwickeln, richten sich im Zuge dessen auch vornehmlich darauf, sich der Neugier der Erwachsenen<br />

zu entziehen. Hierzu wechseln sie zu anderen Netzwerken, trennen durch die Nutzung verschiedener<br />

Dienste verschiedene Gruppen voneinander oder platzieren versteckt Botschaften in öffentlich zugänglichen<br />

Nachrichten (Boyd 2014).<br />

Das Wissen über Soziale Netzwerke und die Datensammlung und -auswertung ziehen Jugendliche vorwiegend<br />

aus dem Peerkontext: „Grundlegendes Strukturwissen, das über das konkrete Wissen hinausgeht und sich nicht<br />

über den Medienumgang erschließt, ist ihnen in den meisten Fällen und insbesondere den befragten Hauptschüler/-innen<br />

nicht zugänglich“ (Wagner/Brüggen 2013, S. 43). Sie bemühen sich darum, den jeweiligen Adressaten<br />

und Adressatinnen nur ein oberflächliches Bild ihrer Person zu zeigen, wissen aber doch auch, dass sich die<br />

Chance auf Rückmeldungen und somit auch auf Anerkennung erhöht, wenn sie persönliche Inhalte einstellen<br />

und Klarnamen verwenden („Authentizitätsnorm“), selbst Feedback geben oder Freundschaftsfragen annehmen<br />

(„Reziprozitätsnorm“; ebd., S. 46). Aus Sicht der Jugendlichen ist Authentizität die Grundlage für eine gelingende<br />

Interaktion und Beziehungspflege. Der Authentizitätsanspruch wird von ihnen zudem als prinzipielle<br />

positive Werthaltung beschrieben, wenngleich es für sie auch akzeptabel ist, das einige Aspekte des Selbst ausgeblendet<br />

oder verschlüsselt werden (z. B. Änderung von Nachnamen). Wichtig ist, dass ausreichend Kontextinformationen<br />

gegeben sind, sodass die Jugendlichen für ihr soziales Netzwerk identifizierbar bleiben (ebd.,<br />

S. 157).<br />

Das Dilemma der Jugendlichen zeigt sich vor allem darin, dass sie wissen, dass die im Sozialen Netzwerk angegebenen<br />

Daten von den Unternehmen genutzt werden (Shell Deutschland Holding 2015, S. 130) und sie diesem<br />

aber zu 53 Prozent nicht oder überhaupt nicht vertrauen. Nur 13 Prozent der Jugendlichen geben an, dass sie<br />

diesem Netzwerk „voll und ganz vertrauen“ (ebd., S. 135). Einfluss nimmt hier erneut die soziale Herkunft:<br />

Jugendliche der „oberen Schichten“ sind misstrauischer (69 %) als Jugendliche der „unterer Schichten“ (39 %).<br />

Weiterhin bringen Jugendliche aus östlichen Bundesländern und eher junge Männer der Plattform etwas mehr<br />

Vertrauen entgegen (ebd.).<br />

Deutlich wird insgesamt, dass das ständige Austarieren von individuellen Bedürfnissen, sozialen Erwartungshaltungen<br />

und medialen Rahmenbedingungen hohe Ansprüche an die Jugendlichen stellt – und das nicht nur im<br />

Hinblick auf den Umgang mit persönlichen Daten. Auf den Bildern oder Filmen, die eingestellt werden, befinden<br />

sich häufig auch Freunde, Freundinnen und Bekannte. Hier entscheiden Jugendliche im Zweifelsfall offenbar<br />

auch stellvertretend, was für andere verkraftbar ist und was nicht. Aktuell scheint das Schutzbedürfnis gegenüber<br />

den eigenen Daten bei ihnen ausgeprägter zu sein als das gegenüber Daten anderer Personen (Wagner/Brüggen<br />

2013, S. 47).

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