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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 463 – Drucksache 18/11050<br />

Diese Entwicklungen machen es notwendig, (jugend-) politische Akzente dahin gehend zu setzen, dass Jugend<br />

als gesellschaftlicher Integrationsmodus, d. h. als Modus des Hineinwachsens in gesellschaftliche Teilhabe und<br />

Verantwortung, wieder stärker ins Blickfeld rückt und die damit verbundenen Kernherausforderungen – Qualifizierung,<br />

Selbstpositionierung und Verselbstständigung – in die Gestaltung von Jugend ins Zentrum der politischen<br />

und öffentlichen Aufmerksamkeit gestellt werden. Bezugspunkte dieser Perspektive können nicht allein<br />

die einzelnen Jugendlichen bzw. deren individuelle Lebensentwürfe sein. Vielmehr muss Jugend als Lebensphase<br />

wieder stärker in ihren gesellschaftlichen Zusammenhang einer Generation und in die „generationale Ordnung<br />

des Sozialen“ gestellt und verhandelt werden. Dabei geht es darum, auch Jugendliche und junge Erwachsene<br />

als „Individuen aus eigenem Recht“ zu begreifen und das Lebensalter Jugend als gesellschaftlichen Ermöglichungsraum<br />

zu verstehen. Damit rückt die Frage ins Zentrum, wie Jugend für alle Jugendlichen gegenwärtig<br />

sozial gerecht ermöglicht und als eigenständige Lebensphase konstruiert werden kann, welche sozialen Handlungsspielräume<br />

Jugendliche und junge Erwachsene haben und wie sie diese ausgestalten können.<br />

‣ Qualifizierung, Selbstpositionierung und Verselbstständigung als Kernherausforderungen<br />

des Jugendalters<br />

Das Jugendalter wird gegenwärtig so stark wie nie zuvor durch den Besuch von Bildungsinstitutionen<br />

geprägt. Andere gesellschaftliche Erwartungen an junge Menschen treten im Vergleich zum<br />

Erwerb von Qualifikationen und Zertifikaten deutlich in den Hintergrund. Jugend ist aber mehr als<br />

eine Phase der Qualifizierung, sie ist auch eine Zeit der Selbstpositionierung und Verselbstständigung.<br />

Daher stellt sich die Frage, wie die Kernherausforderungen der Qualifizierung, der Selbstpositionierung<br />

und der Verselbstständigung im Alltagsleben junger Menschen bewältigt, gestaltet<br />

und in ein konstruktives Verhältnis gebracht werden können. Dies setzt voraus, ebenfalls neu zu<br />

klären, wie Jugend im institutionellen Gefüge des Aufwachsens ermöglicht wird.<br />

In öffentlichen und fachlichen Diskussionen bis hin zu Jugendstudien dominiert gegenwärtig ein Bild von Jugend,<br />

in dem Jugendliche als individuelle Gestalterinnen und Gestalter ihres persönlichen Lebens im Zentrum<br />

stehen. Diese Jugendbilder fragen danach, wie Jugendliche mit den gesellschaftlichen und persönlichen Herausforderungen<br />

umgehen, wie sie diese bewältigen und ob sie qualifiziert und „fit“ genug sind, um zukünftige Aufgaben<br />

in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu übernehmen.<br />

Demgegenüber treten die sozialen Bedingungen jugendlichen Handelns in den Hintergrund. So wird etwa nicht<br />

gezielt danach gefragt, wie das Jugendalter in der Gegenwart durch die gesellschaftlichen Entwicklungen und<br />

die ökonomischen Rahmungen sowie die politischen Regulationen geprägt und gestaltet wird. Auch steht nicht<br />

zur Debatte, welche Rolle Jugend in diesem Gestaltungsprozess einnimmt bzw. einnehmen sollte. Jede Gesellschaft<br />

strukturiert eine generationale Ordnung der verschiedenen Lebensalter und schafft damit einen Modus der<br />

sozialen Integration und somit gewissermaßen auch eine Rahmenstruktur des Jugendalters, in der und mit der<br />

Jugendliche ihren Lebensalltag und ihre Handlungsspielräume erfahren. Mit diesem sozialen Integrationsmodus,<br />

so eine Grundannahme des Berichts (vgl. Kap. 1), sind elementare Kernherausforderungen verbunden, denen<br />

sich Jugendliche in dieser Gesellschaft nicht entziehen können, die ihren Jugendalltag prägen und deren Bearbeitung<br />

ihnen Wege eröffnet, ihr Verhältnis zu und ihren Ort in dieser Gesellschaft zu finden.<br />

Unstrittig ist das Jugendalter eine Lebensphase der Qualifizierung, in der die Jugendlichen aufgefordert sind,<br />

ihre allgemeinbildende, berufliche und soziale Handlungsfähigkeit zu entwickeln. Zugleich befinden sich Jugendliche<br />

in einer Phase der Verselbstständigung, in der grundlegende biografische Entscheidungen getroffen<br />

werden und in der sich die persönlichen Beziehungen von Jugendlichen verändern. Und schließlich müssen sich<br />

Jugendliche und junge Erwachsene in diesem Zeitraum auch selbst persönlich, beruflich und politisch positionieren<br />

und ihre soziale Zugehörigkeit klären und ausbalancieren.<br />

Alle drei Herausforderungen stehen in engem Zusammenhang zueinander, und ihre Bearbeitung ist an sozial,<br />

ökonomisch und politisch ungleiche Bedingungen des Aufwachsens gekoppelt: So belegen die Analysen zu den<br />

Lebenslagen und zu den Ausdrucksformen junger Menschen, dass Qualifizierung im Jugendalter weit über die<br />

Teilnahme an formaler Bildung hinausreicht und gleichzeitig wiederum eine wesentliche Einflussgröße für Prozesse<br />

der Selbstpositionierung und der Verselbstständigung ist. Ebenso sind Versuche junger Menschen, sich im<br />

Bildungssystem, in der beruflichen Bildung und im beruflichen Leben, aber auch bei gesellschaftlichen Kontroversen<br />

und gegenüber gesellschaftlichen Konflikten selbst zu verorten, maßgeblich an Grade bereits erreichter<br />

Verselbstständigung, etwa in finanzieller Hinsicht oder mit Blick auf einen eigenen Haushalt etc. gekoppelt.

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