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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 108 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

Und genauso wie Jugendliche und junge Erwachsene aktuell für die Verteidigung demokratischer Prinzipien<br />

und die Ermöglichung sozialer Teilhabechancen aktiv werden, so gehören sie auch zu denjenigen, die sich gegenwärtig<br />

sowohl im Kontext demokratischer Prozesse wie auch mit Gewalt gegen eine pluralisierte Gesellschaft<br />

und gegen ihre internationale Öffnung stellen. Schon in den 1990er Jahre wurden Rechtsextremismus und<br />

Fremdenfeindlichkeit vor allem Jugendlichen zugeschrieben. Doch damals wie heute sind menschenfeindliche<br />

und grundgesetzwidrige Attitüden genauso bei Erwachsenen zu finden. Regional hegemoniale rechte Kulturen<br />

reproduzieren dabei auch ihre Jugend. Die ambivalente gesellschaftliche Haltung gegenüber rechten Kulturen in<br />

den 1990er Jahren, die einerseits als (ostdeutsche) Einzeltäter zurückgewiesen wurden und denen andererseits<br />

im öffentlichen Diskurs eine Stellvertreterrolle für jene Menschen zukam, die einem wachsenden Selbstverständnis<br />

der Bundesrepublik als Einwanderungsland skeptisch gegenüberstanden, sowie die Kurzfristigkeit und<br />

geringe Nachhaltigkeit von Programmen gegen Rechtsextremismus, sind dieser Entwicklung nicht ausreichend<br />

entgegen getreten. Umso irritierender erscheint, dass gegenwärtig Jugendgruppen, die sich gegen antipluralistische<br />

und rassistische politische Gruppen und ihr Handeln stellen, nicht stärker unterstützt werden.<br />

Insgesamt positionieren sich die skizzierten, wenig institutionalisierten Teilhabeformen Jugendlicher – z. B.<br />

Protestszenen und kurzfristige lokale Initiativen – als korrigierend und kritisch gegenüber den staatlich verfassten<br />

politischen Institutionen bis hin zu ihrer offenen Ablehnung (vgl. ausführlich Abs. 3.6). Sie sind damit Akteure<br />

der zivilgesellschaftlichen Kontrolle in einer parlamentarischen Demokratie, die allerdings eigene Logiken<br />

akzeptierender Protestbewegungen hervorbringt: was als demokratisch anerkannter Protest gilt, wird durch den<br />

politischen Diskurs in der Bezugnahme auf bestehende Kritiken bestimmt.<br />

Neben diesen medial repräsentierten und in gesellschaftspolitischen Alltagsdiskursen stark präsenten Formen<br />

des Protests und der Kritik bestehen weitere Formen des politischen Engagements junger Menschen in Form<br />

von Schülerinnen- und Schülervertretungen, Studierenden- und Auszubildendenvertretungen und Jugendparlamenten,<br />

die als Vertretungsgremien bildungs- und kommunalrechtlich geregelt sind. Welcher konkrete Einfluss<br />

diesen Gremien jedoch jeweils zugestanden wird, obliegt in vielen Fällen der partizipativen Kultur der jeweiligen<br />

Institutionen (vgl. Abs. 1.3.4). Institutionalisierte Beteiligungsformen junger Menschen in Form von Jugendräten,<br />

Jugendparlamenten, Jugendbeiräten oder Jugendforen, wie sie sich in der Folge der Ratifizierung der<br />

UN-Kinderrechtskonvention etabliert haben, gehören inzwischen in vielen Gemeinden ebenso selbstverständlich<br />

zur Gremienlandschaft wie statusgruppenbezogene Repräsentationen in den meisten Bildungseinrichtungen<br />

von der Schule bis zur Hochschule (vgl. Hafeneger/Niebling 2008). Sie bilden in der Regel repräsentative Kontexte<br />

der Interessenvertretung und verfügen über institutionell ausgehandelte und geregelte Rechte, die je nach<br />

Einzelfall von der Diskussion jugendpolitisch relevanter Fragen und Probleme über die Beratung von Entscheidungsträgern<br />

bis hin zur Verwaltung eigener Ressourcen reichen. Für Formen der verfassten Interessenvertretung<br />

im Kontext der Schule gilt, ebenso wie für kommunalpolitische Gremien, dass diese institutionellen Hierarchien<br />

unterliegen, die nicht in erster Linie durch demokratische Entscheidungsverfahren, sondern vor allem<br />

pädagogisch-partizipatorisch reguliert werden (vgl. Bischoff u. a. 2016 zu Beteiligungsprojekten). Institutionell<br />

verfasstes politisches Engagement von jungen Menschen unterliegt damit spezifischen Grenzen in ihrer inhaltlichen<br />

und methodischen Ausgestaltung ebenso wie in ihrer Reichweite und Relevanz in politischen Entscheidungsprozessen.<br />

Bestimmt werden diese Grenzen durch Erwachsene im Kontext pädagogischer oder institutionenpolitischer<br />

Zusammenhänge. Diese Tatsache verkennend werden gerade die „Übungsarenen demokratischer<br />

Mitbestimmung“ als Formen der Beteiligung Jugendlicher hervorgehoben. 4 Zugleich werden entsprechende<br />

Beteiligungsprojekte als Instrumente der politischen Bildung beschrieben, mit denen Jugendliche Wissen und<br />

Kompetenzen über demokratische Institutionen aufbauen und politisches Handeln erproben sollen.<br />

Insgesamt unterliegt das politische Engagement von Jugendlichen in der Bundesrepublik seit mehreren Jahrzehnten<br />

spezifischen Thematisierungen, die kaum geeignet sind, Jugendliche und junge Erwachsene als politische<br />

Akteure in einer demokratischen Gesellschaft anzuerkennen (vgl. Hornstein 2009). So hat sich vor dem<br />

Hintergrund geringer Wahlbeteiligung und geringen parteipolitischen und gewerkschaftlichen Engagements<br />

junger Menschen, gestützt durch Jugendstudien, die sich in ihrem Forschungsdesign an politikwissenschaftliche<br />

Studien der politischen Kulturforschung anlehnen (zur Kritik vgl. z. B. Hoffmann-Lange/Gille 2013), ein anhaltender<br />

Diskurs über die Politikdistanz bzw. -verdrossenheit junger Menschen etabliert. Formen der politischen<br />

Beteiligung in lokalen Zusammenhängen, sozialen Bewegungen und Protestszenen werden in diesem Zusammenhang<br />

ausgeblendet bzw. als deviantes Verhalten zurückgewiesen. Gleichzeitig werden in den entsprechenden<br />

Studien für die etablierten politischen Handlungsformen – ebenso wie für das politische Interesse und für<br />

4<br />

Vgl. Zentrum eigenständige Jugendpolitik 2013

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