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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 335 – Drucksache 18/11050<br />

soziale zusätzliche Erfahrungsmöglichkeiten für Bildungsprozesse junger Menschen und um die Gestaltung<br />

eines sozialräumlich verankerten, multiprofessionell gestalteten Möglichkeitsraums für Lern- und Bildungsprozesse<br />

Jugendlicher.<br />

In der Akzeptanz und Stärkung der individuell verschiedenen Bewältigungsstrategien Jugendlicher liegt die<br />

Chance einer gelingenden Ganztagsschulentwicklung, um zu einem für sie jeweils austarierten Verhältnis von<br />

Schulkultur und Jugendkultur zu kommen. Die Individualisierung der Lernprozesse und die Einsicht in die<br />

Notwendigkeit individueller Förderung bei verstärktem Entwicklungsbedarf bieten der Schule die Möglichkeit,<br />

vom Zwang zum Gleichschritt und dem Druck der Anpassung wegzukommen (vgl. Hagedorn 2017).<br />

Die Akzeptanz der ganzen Person des Jugendlichen über seine Schülerrolle hinaus und die Wertschätzung als<br />

Subjekt seiner eigenen Bildungsprozesse sind notwendige Voraussetzungen für gelingende gesellschaftliche<br />

Integration Heranwachsender am Sozialisationsort Schule (ebd., S. 22). Eine Schüler- und Jugendorientierung<br />

im Unterricht und in den außerunterrichtlichen Angeboten der Ganztagsschule benötigt eine Programmatik und<br />

eine personelle Kompetenz der verschiedenen Professionen, die diesen Anspruch auch einlösen. Die Orientierung<br />

am Subjekt unter Einbeziehung der Lebenslagen Jugendlicher erfordert einerseits eine sozialpädagogisch<br />

erweiterte Professionalität der Lehrkräfte, andererseits aber auch eine Veränderung und Öffnung der Lernsettings<br />

für neue Formen des Unterrichts und damit beispielsweise auch eine stärker medienreflexive Professionalisierung<br />

(vgl. auch Abs. 4.4.2.2).<br />

Insbesondere der Anspruch der Ganztagsschule, durch eine Öffnung neuer Bildungs- und Lebenschancen kompensatorisch<br />

zu wirken gegenüber Elternhäusern und sozial disparaten Lebenslagen, die einem Teil der Jugendlichen<br />

Anerkennung und Wertschätzung verwehren, macht eine entschlossene Hinwendung zu dem einzelnen<br />

Jugendlichen und seiner Lebenslage vor allem in der Ganztagsschule erforderlich (Hagedorn 2017).<br />

Wenn Schule ein Teil der Lebensbewältigung Jugendlicher ist, dann zeigen sich in ihr auch drei Aspekte, die<br />

eine erweiterte jugendorientierte Perspektive bei der Gestaltung von Ganztagsschulen einbringen können (vgl.<br />

Böhnisch/Schröer 2013): das Bewältigungsverhalten Jugendlicher im Sinne von Handlungsfähigkeit und Ausdruck<br />

von Selbstwert bzw. Selbstwirksamkeit, die von der Schule durch dort erlebte Beziehungen zu Lehrkräften<br />

und anderen Jugendlichen geprägte Bewältigungskultur sowie die Lebensbewältigungslage, die die Lebensbedingungen<br />

Jugendlicher und ihre Spielräume darin für Lernen, Entwicklung und aktive Lebensgestaltung<br />

thematisiert. Diese „drei Zonen“ (ebd.) der Lebensbewältigung sind auch Zonen des „bewältigungsorientierten<br />

Schulmanagements“ (vgl. Böhnisch 2012) Jugendlicher und stecken Grundsätze einer erweiterten pädagogischen<br />

Perspektive auf Bildungsprozesse Jugendlicher – in ihrer Verwobenheit aus subjektiven, sozialen, institutionellen<br />

und lebenslagenbezogenen Einflüssen – in Ganztagsschulen ab.<br />

Dieser Blick könnte alters- und lebensphasenspezifische Überlegungen einer Pädagogik in den Mittelpunkt<br />

rücken, die die Besonderheiten des Jugendalters und ihrer Bewältigungslagen als Aufforderungscharakter versteht;<br />

Ganztagsschule als erweiterten sozialen Raum konzipiert und eine Öffnung in die Stadtteile und in die<br />

Gemeinde ermöglicht; sie sieht explizit die Verbindung der institutionellen Bedingungen (der Ganztagsschule)<br />

und der Seite des individuellen Lebensvollzugs Jugendlicher.<br />

5.1.4 Ganztagsschulen und die gesellschaftliche Regulierung von Jugend<br />

Hier zeigt sich ein zentraler Anknüpfungspunkt, eine Fragerichtung für die Entwicklung einer Ganztagsschule<br />

im Jugendalter und die Bewertung ihrer bisherigen Konzipierung: Inwiefern wirken sich schulische Funktionen<br />

auf die gesellschaftliche Sozialisation Jugendlicher aus, und inwieweit wird die Persönlichkeitsentwicklung der<br />

Jugendlichen explizit Gegenstand des pädagogischen Handelns und der Organisation der Schulangebote? Können<br />

Ganztagsschulen durch eine konzeptionelle Berücksichtigung, einer gesteigerten Sensibilität für die Lebenslage<br />

Jugend, zu einer Handlungsbefähigung Jugendlicher beitragen – als Unterstützung der Kernherausforderungen<br />

Jugendlicher zwischen Qualifizierung, Selbstpositionierung und Verselbstständigung (vgl. Abs. 5.3)?<br />

Empirische Studien zu Ganztagsschulen zeigen, dass die Wirkung der Angebote von individuellen Merkmalen<br />

der Schülerinnen und Schüler sowie von der Qualität der Angebote abhängt (vgl. Radisch u. a. 2014). In Modellen<br />

zur Analyse der Bildungsqualität von Ganztagsangeboten kommt dieser Einfluss als direkter Faktor aber<br />

kaum vor. Individuelle Bildungsaspirationen, Teilhabe, schul- und leistungsbezogene Ziele sowie Strategien des<br />

Umgangs mit schulischen Erwartungen stellen die persönliche Analogie zu den oben genannten Aspekten Expansionseffekt,<br />

Ungleichheitsrelation, Handlungswidersprüchlichkeit und Rollenorientierung dar, denen eine

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