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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 230 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

oder nur marginale Entscheidungsbefugnisse und Gestaltungsräume eröffnen. Gerade Jugendliche unter 18 Jahren<br />

werden damit im Feld des vorpolitischen bzw. der politischen Übungsarenen positioniert.<br />

Der Möglichkeitsraum politischen Handelns junger Menschen wird in dieser Perspektive stark verkürzt. Denn<br />

nur wenige Jugendliche treten mit Vollendung ihres 18. Lebensjahrs sofort in eine Partei ein oder sind in gesellschaftspolitischen<br />

Organisationen aktiv, zumal die bloße Mitgliedschaft in einer Organisation oder die Beteiligung<br />

an Wahlen und Abstimmungen nur in eingeschränktem Maße Auskunft über politische Einstellungen,<br />

Motivationen und Handlungsmuster gibt. Schaut man so auf politisches Engagement Jugendlicher, dann muss<br />

man eher von einem geringen eigenen Aktivitätsspektrum, aber einer weitgehenden Zustimmung zur Demokratie<br />

als Staatsform ausgehen (vgl. Gaiser/Gille 2012; Schneekloth 2015).<br />

Erweitert man jedoch den Fokus und bezieht in das Verständnis von politischen Aktivitäten und Ausdrucksformen<br />

alle Handlungen ein, in denen sich Jugendliche auf das Gemeinwesen in kritischer, verändernder oder gestaltender<br />

Absicht beziehen, dann eröffnet sich ein breiteres Spektrum vielfältiger Formen öffentlicher Interessenartikulationen<br />

und politischer Partizipation, die Jugendlichen zur Verfügung stehen und von ihnen genutzt<br />

bzw. von ihnen selbst hervorgebracht werden (können). Ebenso kommen damit gerade auch die diversen politischen<br />

Implikationen jugendkultureller Praktiken und Symbolwelten deutlicher zum Vorschein und lebensweltbezogene<br />

Aktions- und Ausdrucksformen treten stärker als politische Positionierungen hervor, die in ihrer<br />

Funktion für politische Sozialisationsprozesse über die Lebenszeit bedeutsam sind. Diese gesellschaftspolitischen<br />

Artikulationen junger Menschen können als Positionierungen im Zusammenhang aktueller sozialer Konfliktlinien<br />

beschrieben werden. Sie sind eingebunden in Zusammenhänge der politischen Sozialisation, die über<br />

die Bildungsinstitutionen hinaus in die Familie und in Gleichaltrigengruppen, in mediale Repräsentationen und<br />

den öffentlichen Diskurs einer Gesellschaft hineinreichen.<br />

Die Frage, wie Jugendliche politisch agieren (können), wird im Folgenden entlang der Interessen Jugendlicher<br />

für Politik und der Bedeutung gesellschaftspolitischer Problemlagen (vgl. Abs. 3.6.1), ihrer Beteiligung an politischen<br />

Organisationen, ihrer Sichtbarkeit und ihrem Engagement in formalen politischen Strukturen (vgl. Abs.<br />

3.6.2) sowie des Wahlverhaltens Jugendlicher als soziale Gruppe im Vergleich zu anderen Altersgruppen (vgl.<br />

Abs. 3.6.3) diskutiert. Davon differenziert werden politische Ausdrucksformen Jugendlicher behandelt (vgl.<br />

Abs. 3.6.4 und 3.6.5), wobei einerseits Diskursarenen Jugendlicher zu gesellschaftspolitischen Fragestellungen<br />

und andererseits Jugendprotest als spezifischer Handlungszusammenhang beschrieben werden.<br />

Obwohl diese Differenzierungen nur ein erster Versuch sein können, um Erkenntnisse zum jugendlichen Politikverständnis<br />

aus den „klassischen Angeln“ zu heben, soll damit explizit deutlich gemacht werden, dass das<br />

Spektrum jugendlicher Ausdrucksformen und politischer Aktivitäten mit Fragen nach links-rechts-Zuordnungen,<br />

Wahlverhalten oder organisationsbezogenem Engagement sowie Parteizugehörigkeiten keineswegs abgedeckt<br />

ist. Ein weiter gefasstes Politikverständnis, wie es hier vorausgesetzt wird, soll also dafür sensibilisieren,<br />

dass gerade Jugendliche innovativere und kreativere Formen des Politischen entwickeln, als es viele Untersuchungen<br />

bislang abbilden.<br />

Gleichzeitig prägen die Lebenssituation von Jugendlichen sowie die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten<br />

und das soziale Gefüge, in dem sie leben, entscheidend politische Teilhabe- und Teilnahmemöglichkeiten<br />

und -beschränkungen. Das heißt im Klartext: Es gibt Differenzen in den regionalen und lokalen Bedingungen<br />

sowie im Zugehörigkeitsstatus der Jugendlichen, was sich dann wiederum auf die Möglichkeiten, sich in Organisationen<br />

zu engagieren, auswirken kann. Andererseits sollen differente familiale, schulische oder gruppenbezogene<br />

Orientierungs- und Unterstützungsräume, die politisches Engagement Jugendlicher fördern können, in<br />

den Blick geraten. Die politische Teilhabe junger Menschen in der bundesdeutschen Gegenwartsgesellschaft ist<br />

damit im Spannungsfeld zwischen Prozessen der Verselbstständigung und der Übernahme der Bürgerrolle einerseits<br />

sowie solchen der Fremd- und Selbstpositionierung im gesellschaftspolitischen Raum andererseits zu<br />

verorten.<br />

3.6.1 Politisches Interesse und politische Positionen<br />

In welchem Maße sich junge Menschen für Politik und aktuelle gesellschaftspolitische Fragen interessieren,<br />

gehört zu den zentralen Indikatoren der Beobachtung der politischen Kultur der Jugend. Sie werden als Indikatoren<br />

der gesellschaftlichen Integration und Teilhabe Jugendlicher analog zur Erwachsenengesellschaft erhoben,<br />

kommentiert und interpretiert.

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