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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 213 – Drucksache 18/11050<br />

und entspannungsorientierte Praktiken in den Vordergrund rücken (vgl. hierzu auch Deinert 2012, S. 155f.).<br />

Dies bedeutet jedoch nicht gleichzeitig, dass hier ein Nährboden für schul- oder lernfeindliche Haltungen ausgemacht<br />

werden kann. Gruppennormen, die Schule und deren Anforderungen grundsätzlich in Frage stellen,<br />

finden sich dann auch eher selten, sodass, wie in der NRW-Jugendstudie deutlich wurde, nur etwa zwölf Prozent<br />

der 13- bis 15-Jährigen und acht Prozent der 16- bis 18-Jährigen der Meinung sind, dass ihre Freundesgruppe es<br />

gut finden würde, wenn man die Schule schwänze. Auch das Lernen insgesamt scheint mit zunehmendem Alter<br />

im Peerkontext positiver besetzt zu sein, sodass 59 Prozent der 13- bis 15-Jährigen und 67 Prozent der 16- bis<br />

18-Jährigen der Aussage zustimmen, dass ihre Freunde es gut finden, wenn man viel lernt (Maschke u. a. 2013,<br />

S. 62).<br />

Wenngleich dies bedeutet, dass immerhin noch acht Prozent der älteren Befragten Schulabstinenz positiv bewerten<br />

und ein Drittel übermäßiges Lernen ablehnt und dies auch als Gruppennorm erhebt, weisen diese Befunde<br />

auf eine Abnahme schulferner Haltungen in Peerkontexten mit zunehmendem Alter und nahendem Schulabschluss<br />

hin (vgl. auch Krüger u. a. 2012). Schulische Leistungserwartungen werden damit auch von älteren<br />

Jugendlichen kaum in Frage gestellt, jedoch im Peerkontext nicht unbedingt vertieft. Das Verhältnis zwischen<br />

Peergroups und Schule lässt sich damit als vielfältig und im biografischen Verlauf immer auch als veränderbar<br />

charakterisieren, sodass Peers sowohl als Unterstützungs- als auch als Hemmfaktor positiver Schulorientierungen<br />

und schulischer Leistungserbringung fungieren können. Vor allem als emotionale Unterstützer sind sie bei<br />

der Verarbeitung schulischer Misserfolge und Leistungsdruck über Praktiken des Tröstens und des Solidarisierens<br />

von Bedeutung (vgl. Deinert 2012; Kramer u. a. 2013). Peergroup und Schule konfligieren vor allem dann<br />

stärker, wenn unterschiedliche milieu- und lebensweltspezifische Bildungsstrategien und -orientierungen in den<br />

Peergroups auf differente schulische Anforderungen und Erwartungen treffen, familiale Unterstützungsleistungen<br />

ausbleiben und wenn sich schulische Negativerfahrungen in den Gruppenkontexten kumulieren (Krüger<br />

u. a. 2012; Steinhoff/Grundmann 2015).<br />

3.3.2.4 Peergroups als Kontroll- und Ermöglichungsraum für Grenzüberschreitungen<br />

Als Negativaspekt von Peervergemeinschaftung wird häufig ein Risikoverhalten in der Gruppe betont, das sich<br />

etwa in gesundheitsschädigendem Verhalten (Alkohol- oder Zigarettenkonsum, Risikosportarten) oder in gewaltförmigem<br />

bzw. delinquentem Handeln niederschlägt. Gerade für das Thema Alkohol- und Nikotinkonsum<br />

kann festgehalten werden, dass Peergroups hierfür einen besonderen Probe- und Übungsraum bereitstellen, der<br />

die Praktiken des Ausprobierens und Experimentierens sowie die Selbstpositionierungen zu dieser Thematik<br />

entscheidend mitbestimmt.<br />

Nur ein sehr geringer Teil der Jugendlichen gibt in unterschiedlichen Befragungen an, noch nie Alkohol getrunken<br />

zu haben. Dabei nimmt der Alkoholkonsum mit dem Alter zu (vgl. Richter u. a. 2016, S. 18), unterscheidet<br />

sich jedoch in der Intensität und der Art dieser Erfahrungen. So gaben 68 Prozent der zwölf- bis 17-jährigen<br />

Befragten der Drogenaffinitätsstudie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Orth 2016, S. 43f.) an,<br />

mindestens einmal im Leben Alkohol getrunken zu haben, 58 Prozent taten dies in den letzten zwölf Monaten<br />

und 37 Prozent in den letzten 30 Tagen vor der Befragung. Bei den 18- bis 25-Jährigen waren es 95 Prozent, die<br />

überhaupt schon einmal Alkohol getrunken hatten, 89 Prozent in den letzten zwölf Monaten und 73 Prozent in<br />

den letzten 30 Tagen vor der Befragung. Häufiges „Rauschtrinken“, definiert als viermal oder öfter bei einer<br />

Trinkgelegenheit fünf Gläser Alkohol hintereinander getrunken zu haben, geben demgegenüber nur drei Prozent<br />

der zwölf- bis 17-jährigen und knapp zehn Prozent der 18- bis 25-jährigen Befragten an. Signifikante Unterschiede<br />

zeigen sich zwischen den Geschlechtern: Jungen trinken häufiger Alkohol als Mädchen. Ebenso lässt<br />

sich eine Differenz zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund konstatieren, wobei Jugendliche<br />

mit türkischem und asiatischem Migrationshintergrund deutlich seltener überhaupt Erfahrungen mit Alkohol<br />

gemacht haben (Orth 2016, S. 45; auch Kuntz u. a. 2015). Insgesamt geht jedoch in der Gruppe der Zwölf- bis<br />

17-Jährigen der Alkoholkonsum in den letzten Jahren deutlich zurück, sodass in dieser Gruppe zwischen 2001<br />

und 2015 die Lebenszeitprävalenz um etwa 20 % gesunken ist (Orth 2016, S. 48).<br />

Während jedoch beim Thema Alkohol nur geringe Differenzen hinsichtlich des sozioökonomischen Status der<br />

Jugendlichen auszumachen sind, finden sich diese beim Rauchen umso deutlicher. So rauchen doppelt so viele<br />

Elf- bis 17-Jährige aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status regelmäßig (9,4 % : 4,4 %) und fast<br />

viermal so viele täglich (8,1 % : 2,1 %) wie Gleichaltrige aus Familien mit hohem sozioökonomischen Status<br />

(Lampert u. a. 2014, S. 834).

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