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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 70 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

Was dies in seinen wesentlichen Momenten bedeutet und welche jugend- und fachpolitischen Herausforderungen<br />

und Empfehlungen aus der Sicht der Sachverständigenkommission damit verbunden sind, soll im Folgenden<br />

anhand von 22 Thesen veranschaulicht werden.<br />

(1) Jugend als eigenständige Lebensphase<br />

Jugend wurde in den letzten Jahrzehnten immer weniger als eine eigenständige Lebensphase wahrgenommen.<br />

Insbesondere die Konzentration auf die Kindheit hat den Blick auf die besonderen Herausforderungen des Jugendalters<br />

verstellt. Gleichzeitig wird die Verantwortung für die soziale Teilhabe und gesellschaftliche Integration<br />

Heranwachsender immer mehr subjektiviert, d. h. den Jugendlichen und jungen Erwachsenen in ihrem persönlichen<br />

Leben selbst auferlegt. Demgegenüber müssen die Gemeinsamkeiten des Jugendalters wieder politisch<br />

stärker in den Kontext ihres Generationenzusammenhangs gestellt werden. Hier ist die Politik auf allen<br />

Ebenen gefordert, sich der gesellschaftlichen Verantwortung für die Jugend neu zu vergewissern und durch das<br />

Setzen von förderlichen Rahmenbedingungen Jugend zu ermöglichen.<br />

(2) Qualifizierung, Selbstpositionierung und Verselbstständigung als Kernherausforderungen des<br />

Jugendalters<br />

Das Jugendalter wird gegenwärtig so stark wie nie zuvor durch den Besuch von Bildungsinstitutionen geprägt.<br />

Andere gesellschaftliche Erwartungen an junge Menschen treten im Vergleich zum Erwerb von Qualifikationen<br />

und Zertifikaten deutlich in den Hintergrund. Jugend ist aber mehr als eine Phase der Qualifizierung, sie ist auch<br />

eine Zeit der Selbstpositionierung und Verselbstständigung. Daher stellt sich die Frage, wie die Kernherausforderungen<br />

der Qualifizierung, der Selbstpositionierung und der Verselbstständigung im Alltagsleben junger<br />

Menschen bewältigt, gestaltet und in ein konstruktives Verhältnis gebracht werden können. Dies setzt voraus,<br />

ebenfalls neu zu klären, wie Jugend im institutionellen Gefüge des Aufwachsens ermöglicht wird.<br />

(3) Verlängerung des Jugendalters im Übergang in das Erwachsenenalter<br />

Jugend ist mit dem Übergang in die Volljährigkeit nicht beendet. Viele Übergangsschritte des Erwachsenwerdens<br />

haben sich zum Teil weit in das dritte Lebensjahrzehnt verschoben: Abschluss der Berufsausbildung und<br />

des Studiums, Auszug aus dem Elternhaus, eigenständige Haushaltsführung, ökonomische Verselbstständigung.<br />

Damit ergeben sich vielfältige Übergangskonstellationen, die zu neuen Herausforderungen für Jugendliche und<br />

junge Erwachsene führen, die auch soziale Risiken und Ungleichheiten hervorrufen können. In den politischen<br />

Arenen muss daher um ein zeitgemäßes Verständnis von Jugend gerungen werden, das die Übergangskonstellationen<br />

im jungen Erwachsenenalter mit einschließt, die ihrerseits besondere gesellschaftliche Integrationsleistungen<br />

erforderlich machen können. Das Erreichen der Volljährigkeit darf insofern kein automatisches Ende<br />

von jugendspezifischen Unterstützungsformen und Politikstrategien sein.<br />

(4) Anhaltende soziale Ungleichheiten im Jugendalter<br />

Soziale Ungleichheiten kennzeichnen nach wie vor die Situation vieler Jugendlicher und junger Erwachsener.<br />

Wenngleich durchaus auch Verbesserungen zu verzeichnen sind, kann jedoch von einer chancengleichen Lebensphase<br />

nicht die Rede sein. Noch immer entscheidet die familiäre und regionale Herkunft, der soziale Status,<br />

die ethnische und nationale Zugehörigkeit, das Geschlecht, aber auch die körperliche Verfasstheit über die Verteilung<br />

der sozialen Teilhabechancen und die Ermöglichung von Jugend. Daher bedarf es nicht nur einer Jugendpolitik,<br />

die sich in die gesellschaftlichen Verhältnisse einmischt und den Auftrag, für den Ausgleich sozialer<br />

Ungleichheiten Sorge zu tragen, ernst nimmt. Es bedarf ebenso einer gezielten Sozial- und Bildungspolitik<br />

des Jugendalters, die die Zugänge und die Förderung im institutionellen Gefüge des Aufwachsens offener und<br />

gerechter gestaltet.<br />

(5) Pluralisierung des Jugendalters durch migrationsbedingte Vielfalt<br />

Das Aufwachsen im Jugendalter ist heutzutage mehr denn je durch eine migrationsbedingte Vielfalt geprägt. Für<br />

eine wachsende Zahl junger Menschen, die gegenwärtig in Deutschland leben, gehören Zuwanderungshintergrund<br />

und Fluchterfahrung zu ihrer eigenen Lebenswirklichkeit. Sie machen immer wieder die Erfahrung, dass<br />

die Möglichkeiten und Zugänge im Jugendalter wesentlich in diesem Licht strukturiert und gestaltet werden.<br />

Hier bedarf es neuer Öffnungs- und Zugangsstrategien, damit jungen Menschen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit,<br />

Migrationsgeschichte und ihrem Aufenthaltsstatus Jugend gleichermaßen ermöglicht wird.

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