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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 305 – Drucksache 18/11050<br />

sind die Reichweiten und Konsequenzen des gegenwärtigen Handelns schwer absehbar (vgl. Abs. 4.2.1.3 und<br />

Abs. 4.3.3). Zudem ist Jugendlichen weitgehend unklar, was online erlaubt ist bzw. wie Online-Verfehlungen<br />

geahndet werden. An wen wendet sich der oder die Jugendliche? Was kann er oder sie erwarten? Oder was kann<br />

er oder sie auch selbst (z. B. präventiv) tun? Der öffentliche Diskurs schürt eher eine Hilflosigkeit im Umgang<br />

mit diesen Fragen, Unterstützungsangebote finden sich aktuell nur wenige im Internet. Dass Jugendliche auf<br />

diese hingewiesen oder aufgeklärt werden, ist aktuell eher unwahrscheinlich (vgl. Abs. 4.4). Auch hier sind<br />

frühzeitig eine Aufklärung und die Etablierung geeigneter Schutzmaßnahmen erforderlich, die zum Beispiel<br />

auch das „Recht auf Vergessen“ im Internet einschließen (vgl. Abs. 4.3.4).<br />

Je nach Situation und Rahmung müssen Jugendliche somit – angelehnt an das grundlegende Modell der Massenkommunikation<br />

von Lasswell (1948) – heute selbst entscheiden, wem sie was in welchem Kanal mit welchem<br />

Effekt sagen möchten und ihre Kommunikation entsprechend anpassen, also je nach Raum und Rahmung<br />

teils anonym oder teilanonym oder dann wiederum authentisch kommunizieren. Eine frühzeitige Entwicklung<br />

und Einübung in die neuen sozialen und kulturellen Praktiken ist daher erforderlich, insbesondere im Jugendalter,<br />

da hier zunehmend eigene (virtuelle) Wege gegangen werden. Notwendig ist auch eine gemeinsame Verständigung<br />

über Normen, Werte und Rechte in einer digitalen Kultur. Dies setzt nicht zuletzt auch gemeinsame<br />

(internationale) ethische Standards und verbindliche rechtliche Regelungen voraus.<br />

4.3.3 Infrastrukturelle Zumutungen<br />

Ob und wie selbstbestimmt Menschen partizipieren können, hängt nicht nur von Strukturkategorien, vorhandenen<br />

Ressourcen und Medienkompetenzen ab, sondern auch von infrastrukturellen Voraussetzungen. Zu nennen<br />

sind hier die Auswirkungen globaler, kommerzieller Machtstrukturen und -konzentrationen auf die Gestaltung<br />

der Hard- und Software und des Medienangebots. Weiterhin anzuführen sind die zunehmend automatisierten<br />

bzw. algorithmisierten Verarbeitungen und Analysen von großen Datenmengen (Big Data Analytics), die u. a.<br />

zur Vorhersage zukünftiger Zustände und Entwicklungen (Predictica Analyse) dienen und in Folge von darauf<br />

aufbauenden Entscheidungen und Maßnahmen auch normbildend und verhaltensbestimmend wirken können.<br />

Die Datenverarbeitung findet heute zunehmend automatisiert, anhand zumeist unter Verschluss gehaltener und<br />

hochkomplexer, logisch kaum noch erschließbarer Algorithmen statt. Intensiviert wird die Datensammlung<br />

dadurch, dass immer mehr Dinge des Alltags mit Sensoren und Datenschnittstellen ausgestattet sind („Internet<br />

der Dinge“). Zukünftig bedeutsamer werden in diesem Kontext neben den beliebten Smartphones insbesondere<br />

auch „Wearables“, d. h. eng am Körper oder in der Kleidung befestigte computergestützte Geräte und Sensoren<br />

wie z. B. Uhren oder Brillen (Smartwatches, Smart Glasses). Sie ermöglichen vielfältige Formen des sogenannten<br />

Trackings, der Datenerfassung von Personen und Objekten in Echtzeit, und tragen ebenfalls dazu bei, dass<br />

immer mehr Lebensregungen vermessen werden können. Die Wearables verweisen auf ein weiteres Phänomen,<br />

das unter dem Stichwort Human Enhancement diskutiert wird, im Zuge dessen Technologien (z. B. RFID Implantate)<br />

am und im Körper implementiert werden, um das Leben und den Alltag zu erleichtern. Die Möglichkeiten<br />

der Datensammlung und -auswertung nehmen damit ein bislang unvorstellbares Ausmaß an und begründen<br />

neue diverse Optionen zur Selbstoptimierung und Fremdkontrolle (vgl. Abs. 1.2.6).<br />

(Nicht nur) Jugendliche werden ermuntert, ausgewählte Dienste und Plattformen zu nutzen und sich in ihrem<br />

Handeln auf diese proaktiv einzustellen bzw. einzustimmen. Die Macht der Dinge bzw. des Designs liegt hier<br />

„in der Aufforderung zu bestimmten Modi dinglicher Praktiken (des Konsums, der Rezeption, der Kreativität<br />

etc.)“ (Jörissen 2014, S. 227) – und kann zwar auch ermöglichend und ermächtigend wirken, im Hinblick auf<br />

die Mainstream-Angebote zeichnen sich aktuell aber vor allem beschränkende und formierende Aspekte ab<br />

(ebd.). Jugendliche werden zudem dazu angehalten, innerhalb eines digitalen Ökosystems bei wenigen Anbietern<br />

zu bleiben – wodurch sich Machtasymmetrien weiter verstärken (Gapski 2015, S. 73; vgl. Roßnagel/Richter<br />

2017).<br />

Auf der Basis eines exklusiven Datenprofils bekommen sie nicht nur gezielt personenbezogene Werbung platziert,<br />

sondern in Suchmaschinen auch nur das zu sehen, was zu ihrem Profil bzw. Weltbild und bisher artikulierten<br />

Präferenzen passt („Filter Bubble“) oder sie interagieren vordergründig mit Menschen, die aufgrund automatisierter<br />

Analysen bzw. Algorithmen in ihrem Sozialen Netzwerk prominent platziert werden („EdgeRank“)<br />

(Pariser 2011, S. 45f.) bzw. sie sind mit ihren Informationen nur für andere sichtbar, wenn ihre Inhalte bereits<br />

eine entsprechende Reichweite haben („Newsfeed Algorithmus“). Durch die exponentielle Zunahme und<br />

Sammlung von personenbezogenen Daten ist es zudem nicht nur möglich, einzelne Personen zu identifizieren

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