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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 290 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

dienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2013; Wotanis/McMillan 2014). Erklärt wird dies unter anderem<br />

damit, dass das Tagebuchschreiben bei Mädchen seit langem etabliert ist (Warnkeken 1985) – wenngleich<br />

auch darauf verwiesen werden muss, dass mit der sozialen Trägerschaft zugleich auch die Geringschätzung des<br />

Wertes dieser soziokulturellen Praktiken verbunden ist (Schönberger 2009). Gründe werden in der geringeren<br />

Sichtbarkeit von Broadcasterinnen und der feindseligen, teilweise offen sexistischen Kommunikationskultur auf<br />

der aktuell beliebtesten Video-Plattform gesehen. Mädchen, die an die digitale Öffentlichkeit treten, sind demnach<br />

in stärkerem Maße als Jungen von herabwürdigenden und feindseligen Video-Kommentaren zu ihrem<br />

körperlichen Erscheinungsbild bis hin zu sexuellen Drohungen und Stalking betroffen (Wotanis/McMillan<br />

2014; Reagle 2013). Auffällig ist auch, dass Bloggerinnen sehr viel seltener und selektiver in den männlich<br />

dominierten Massenmedien zitiert oder porträtiert werden (Meraz 2008). Weiterhin fällt auf, dass sich Geschlechterstereotype<br />

in den Videoinhalten wiederfinden (Döring 2015; Medienpädagogischer Forschungsverbund<br />

Südwest 2015, S. 35f.).<br />

Da es keine expliziten Studien zur Vlog-Nutzung Jugendlicher gibt, haben die folgenden Ausführungen einen<br />

deskriptiven Charakter. Bei der Einschätzung, welche Vlog-Genres bei Jugendlichen aktuell beliebt sind, helfen<br />

Klicks und Abonnementzahlen weiter. Demnach werden vor allem Blogs favorisiert, in denen das eigene Selbst,<br />

die eigene Meinung oder beliebte Spiele und (kommerzielle) Produkte präsentiert oder bestimmte Vorfälle<br />

und/oder Musik karikiert werden. Eine besondere Beliebtheit genießen darüber hinaus einzelne Vlogger und<br />

Vloggerinnen bzw. Blogs wie BibisBeautyPalace, Dagi Bee, LeFloid, Gronkh oder ungespielt (Medienpädagogischer<br />

Forschungsverbund Südwest 2015, S. 35f.).<br />

Ein aktuelles beliebtes Genre auf Videokanälen stellen die sogenannten „Unboxing-Videos“ dar. In diesen Videos<br />

werden neue, insbesondere technische Produkte, ausgepackt und vor laufender Kamera getestet. Davon<br />

abgegrenzt werden können sogenannte „Haul-Videos“, in denen aktuelle Einkäufe bzw. „erbeutete“ Kosmetikprodukte,<br />

Kleidung oder modische Accessoires in einer Art „Stiftung Warentest von unten“ von zumeist jungen<br />

Frauen bei laufender Kamera getestet und in dokumentarischem Stil bewertet werden (Rösch/Seitz 2013). Haul-<br />

Videos werden vornehmlich im privaten Rahmen produziert; gleichwohl werden manche „Hauler“ und „Haulerinnen“<br />

unter der Hand von Firmen bezahlt oder mit den zu besprechenden Produkten beliefert. Dies verwundert<br />

nicht, da laut einer Studie von Pixability die Beauty Vloggerinnen mehr Abonnements und Kommentare haben<br />

als die Marken-Channels, sie die Diskussion um Schönheit und Marken auf YouTube steuern und deutlich mehr<br />

und häufiger Videos produzieren (Mc Gugan 2014; Pixability 2015). Zu „werben“ ist für Vlogger und Vloggerinnen<br />

nicht verwerflich, solange dies ehrlich und „authentisch“ kommuniziert wird, z. B. durch Rekurse auf das<br />

Privatleben (das eigene Zimmer, Haustiere etc.) (Wagner/Forytarczyk 2015) 50 . Bestätigung erfahren Hauler und<br />

Haulerinnen durch Kommentierungen. Kritik ignorieren oder löschen sie, ebenso Hass-Kommentare. Vlogs<br />

bzw. die Vlogkultur liefert somit als „Nischenöffentlichkeit“ (Wagner/Forytarczyk 2015) eine weitere und eine<br />

kalkulierbare Option zum „Identitätsmanagement“ und eröffnet zeitgleich auch Möglichkeiten, die Herausforderung<br />

der Verselbstständigung in ökonomischer Hinsicht anzugehen.<br />

Für den deutschsprachigen Raum liegen keine Studien vor, daher greifen wir auf erste Ergebnisse aus dem USamerikanischen<br />

Raum zurück. Betrieben werden die Haul-Videos nach einer dortigen qualitativen Untersuchung<br />

zuvorderst von Mädchen und jungen Frauen der (oberen) Mittelschicht; diese sind überwiegend weiß,<br />

verwenden teures Make-Up und Markenkleidung; in nur fünf Prozent der Hauls werden auch Discount-Produkte<br />

gepostet, in der Mehrheit von „Afroamerikanerinnen“ (Jeffries 2011). Moralische Unterstützung ist garantiert,<br />

wenn frau sich an die Regeln hält und „weibliche Kommunikationsstile“ pflegt, also höflich und lächelnd kommuniziert,<br />

Komplimente austeilt und Kritik positiv formuliert. Andernfalls läuft sie Gefahr, als eifersüchtig<br />

bezeichnet zu werden (ebd.).<br />

Ein weiterhin bei Jugendlichen beliebtes Format, das auf Platz drei der Genres liegt, die mindestens einmal alle<br />

14 Tage geguckt werden (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2015, S. 36), sind Erklärvideos<br />

bzw. Video-Tutorials. Es handelt sich dabei um eigenproduzierte Filme, in denen mit didaktischem Anspruch<br />

erläutert wird, wie etwas funktioniert und in denen Handlungen explizit zur Nachahmung vorgemacht werden.<br />

Berühmtheit erlangt haben z. B. auch hier Tutorials, in denen sich – in der Mehrzahl junge Frauen – vor laufender<br />

Kamera schminken. Sie platzieren ihren Computer mit Webcam vor oder neben dem Spiegel und sprechen<br />

50<br />

Prinzipiell müssen Vlogger und Vloggerinnen, die gesponserte Produkte bewerben, darauf achten, dass sie zwischen Inhalten ihres Vlogs<br />

und Werbung trennen. Aus Sicht des Jugendmedienschutzes muss Werbung als solche leicht erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote<br />

angemessen durch optische und akustische Mittel oder räumlich abgesetzt sein (§ 58 Absatz 3 in Verbindung mit § 7 Absatz 3 Rundfunkstaatsvertrag).<br />

Die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH) empfiehlt Vloggerinnen einen Hinweis im Blog (z. B. „sponsored“/“ad“),<br />

damit ein eindeutiger Rückschluss auf den Werbecharakter möglich ist.

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