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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 440 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

griffen in pädagogischen und gesundheitsbezogenen Diensten sowie in Peerbeziehungen zeigt, dass Jugendliche<br />

in ganz unterschiedlicher Form in persönlichen Beziehungen Gewalt erfahren (vgl. hierzu ausführlicher Kap. 3).<br />

Es wäre hier zu kurz gedacht, die Diskussionen um den Kinderschutz einfach ins Jugendalter zu verlängern. Die<br />

Herausforderungen im Jugendalter sind in diesem Zusammenhang mehrdimensional und können im Horizont<br />

einer bloßen Schutzperspektive nur unzureichend verstanden werden. Denn über die zentrale grundlegende Sicherung<br />

von persönlichen Rechten und der damit einhergehenden Vermeidung von Gewalterfahrungen sind<br />

Bildungs-, Beratungs- und Organisationskonzepte gefragt (vgl. Feger/Wolff 2015), die darauf reagieren, dass<br />

Gewalterfahrungen gegenwärtig im Alltag von Jugendlichen präsent sind (vgl. Kap. 3). Domain, Eber, Rucksack,<br />

Krepp und Löwe (2015) weisen darauf hin, dass in der gegenwärtigen Diskussion um Übergriffe in pädagogischen<br />

Einrichtungen bisher kaum die Perspektive der Jugendlichen und jungen Erwachsenen selbst eingenommen<br />

wurde und nur wenig darüber bekannt ist, wie Jugendliche Gewalt sowie Beratungsangebote erfahren.<br />

Weiterhin wird von Beratungsstellen (vgl. Endres u .a. 2011), aber auch in der Forschung darauf verwiesen (vgl.<br />

Kap. 3), dass bisher die Übergriffe und sexualisierte Gewalt unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen in<br />

persönlichen Beziehungen nur unzureichend erforscht sind.<br />

Insgesamt erscheint es notwendig, dafür Sorge zu tragen, dass Jugendliche in ihren persönlichen Beziehungen<br />

zu Erwachsenen und unter Jugendlichen in ihren persönlichen Rechten gestärkt werden. Grundlegend erscheint<br />

auch, dass Jugendliche und junge Erwachsene eine erreichbare und offene Infrastruktur vorfinden, um sich beraten<br />

lassen und im Zweifelsfall eine Beschwerde führen zu können. Sie müssten auch darin gestärkt werden, dass<br />

sie von dem Recht Gebrauch machen können, aus einer persönlichen Beziehung herauszutreten, in der sie sich<br />

nicht wohlfühlen. In diese Richtung ist es ebenfalls notwendig, dass die Ombudsstellen über die Kinder- und<br />

Jugendhilfe hinaus weiter ausgebaut werden.<br />

Insgesamt lässt sich jedoch ein Trend dahin gehend beobachten, dass sich der Fokus im Kontext entsprechender<br />

Gewalterfahrungen auch in der Kinder- und Jugendhilfe auf den Kinderschutz verschoben hat. Auch wenn politisch<br />

durchaus eine Bereitschaft besteht, neue Hilfestrukturen für Jugendliche im Kinderschutz aufzubauen,<br />

werden die Hilfen für Jugendliche und junge Erwachsene vor allem im Spiegel der Kostenentwicklung betrachtet.<br />

Daher wird nur selten grundlegend diskutiert, wie sich der Bedarf an Hilfen für junge Menschen in prekären<br />

Lebenskonstellationen verändert hat und wie die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in ihrer Qualifizierung,<br />

Verselbstständigung und Selbstpositionierung unterstützt und begleitet werden und vor allem, wie ihre sozialen<br />

Benachteiligungen ausglichen werden sollen. Dies würde etwa bedeuten, ebenfalls danach zu fragen, wie Qualifikationswege<br />

von jungen Menschen, die durch Hilfen zur Erziehung betreut werden, angesichts der Verlängerung<br />

und zeitlichen Verschiebung von Ausbildungszeiten ermöglicht und mit den Verselbstständigungs- und<br />

Selbstpositionierungsprozessen verbunden werden.<br />

Insgesamt wird in der Betrachtung der unterschiedlichen prekären Lebenskonstellationen im Jugendalter offensichtlich,<br />

dass eine jugendpolitische und jugendpädagogische Rückbindung fehlt, die insbesondere die unterschiedlichen<br />

Lebenslagen und die damit einhergehenden sozialen Ungleichheiten im Jugendalter stärker ausgleicht<br />

und bearbeitet. Demgegenüber erscheint es sehr unterschiedlich, was genau unter Verselbstständigung in<br />

den Hilfen zur Erziehung verstanden wird, und diese Frage wird kaum in Bezug gesetzt zur sozialen Wirklichkeit<br />

der Kernherausforderungen, wie sie das Jugendalter prägen.<br />

7.3 Zuständigkeitsregulation sozialer Dienste: Inklusion und Jugendpolitik<br />

In den aktuellen, die Jugend betreffenden, politischen Aushandlungen erscheinen zwei Diskussionslinien weitgehend<br />

getrennt voneinander zu verlaufen: die „Wiederentdeckung der Jugendpolitik“ auf der einen und die<br />

inklusive Gestaltung des institutionellen Gefüges des Aufwachsens einschließlich der Kinder- und Jugendhilfe<br />

auf der anderen Seite. Diese Parallelität hat für die Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Behinderungen<br />

und Beeinträchtigungen die Folge, dass die Diskussion zur Inklusion kaum aus einer jugendpolitischen<br />

Perspektive geführt wird, aber auch, umgekehrt, die Jugendpolitik bisher wenig in ihrer Diversitätsorientierung<br />

und ihrer inklusiven Qualität hinterfragt wird. Dieses schlägt sich etwa im Referentenentwurf zum Teilhabegesetz<br />

nieder, in dem keine jugendpolitische Perspektive systematisch erkennbar wird, die z. B. die Qualifizierungs-,<br />

Verselbstständigungs- und Selbstpositionierungsprozesse im jungen Erwachsenenalter reflektiert.<br />

Junge Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen sind in erster Linie Jugendliche und junge Erwachsene.<br />

Diese allgemeine Feststellung ist für die jungen Menschen bereits ein Teil ihrer Identitätsthematik,

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