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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 298 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

4.3.1 Strukturell-bedingte sozial ungleiche Zugänge<br />

Die digitale Infrastruktur eröffnet Jugendlichen zahlreiche soziotechnische Möglichkeitsräume und Optionen<br />

zur Positionierung und Verselbstständigung (vgl. Abs. 4.2). Die Teilhabe und Art der Partizipation ist allerdings<br />

weiterhin nicht ein Ergebnis zufälliger individueller Präferenzen, sie entfalten sich vielmehr in Abhängigkeit<br />

von dem Wohnort, dem formalen Bildungsabschluss, dem sozio-ökonomischen Status, dem Geschlecht, von<br />

Behinderungen und einem unklaren aufenthaltsrechtlichem Status – und häufig auch in Kombination der Aspekte<br />

miteinander und damit auch ungleich verteilten materiellen, sozialen und kulturellen Ressourcen.<br />

Die Frage des differenten und ungleichen Zugangs wurde in den letzten Jahrzehnten anhand der Begriffe digitale<br />

Spaltung und digitale Ungleichheit bzw. Digital Divide oder Second-Level Digital Divide (Hargittai/DiMaggio<br />

2001; Hargittai 2002) diskutiert. Die Diskussion um den Digital Divide bezog sich anfänglich auf<br />

die theoretischen Wurzeln der Hypothese der Wissenskluft, die von einer Ungleichheit des Wissens durch Zugangshindernisse<br />

zu Medien und neuen Technologien ausging. So zeigen repräsentative Zahlen und qualitative<br />

Studien bis heute isolierende und segregierende Effekte der Distribution von neuen Medien unter der Perspektive<br />

von Zugang und Aneignung, besonders unter Medienkompetenzkriterien. Deutlich wird hier, dass eine digitale<br />

Kluft bzw. Spaltung zwischen Jugendlichen, die das Internet (aktiv) nutzen, und jenen, die es nicht nutzen,<br />

nach wie vor existiert. Diese Kluft zeigt sich aktuell vor allem bei Menschen mit Behinderungen und Geflüchteten<br />

im Zugang zu digitalen Medien, bei anderen sozialen Gruppierungen stärker in der Art und Weise der Medienaneignung,<br />

die sich zwischen einem eher souveränen und vielseitigen und einem eher konsumorientierten<br />

und einseitigen Umgang mit Medien bewegt. Deutlich wird insgesamt, dass eine differenzierte mehrdimensionale<br />

und gruppenspezifische bzw. diversitätssensible Betrachtung der Medienwelten Jugendlicher erforderlich<br />

ist, um ungleiche Zugänge und Aneignungsweisen erkennen und damit einhergehende Risiken durch entsprechende<br />

Maßnahmen mindern oder Teilhabechancen erhöhen zu können. Der Einfluss der genannten Kategorien,<br />

teils auch in Kombination, wird im Folgenden dargestellt.<br />

Wer partizipieren möchte, benötigt einen Zugang zur digital-vernetzten Infrastruktur. Ende 2015 können in<br />

Deutschland 70,1 Prozent der Haushalte auf eine Verbindungsgeschwindigkeit von über 50Mbit/s zurückgreifen<br />

(TÜV Rheinland 2015, S. 19). Es zeigen sich jedoch deutliche regionale Disparitäten; so wird die Verfügbarkeit<br />

unterschiedlicher Breitbandklassen mit sinkendem Urbanisierungsgrad geringer (TÜV Rheinland 2015). Können<br />

noch 85,8 Prozent der Haushalte in städtischen Regionen Deutschlands Verbindungsgeschwindigkeiten von<br />

über 50Mbit/s nutzen, trifft das für halbstädtische Gemeinden nur für 58,4 Prozent und für ländliche Gemeinden<br />

nur für 28,3 Prozent der Haushalte zu 55 . Unterschiede zeigen sich auch bezogen auf die Bundesländer. Laut<br />

Breitbandatlas sind die ostdeutschen Bundesländer deutlich schlechter versorgt als die westdeutschen Bundesländer:<br />

Hamburg liegt bei einer Bandbreite von über 50Mbit/s mit 94,4 Prozent vorn, gefolgt von Bremen<br />

(93,5 %), Berlin (90,1 %), Nordrhein-Westfalen (76,2 %), Schleswig-Holstein (74,6 %), Hessen (72,1 %), Baden-Württemberg<br />

(71,6 %), Niedersachsen (71,1 %), Saarland (70,9 %), Rheinland-Pfalz (69 %) und Bayern<br />

(68,4 %), gefolgt mit einem größeren Abstand von Brandenburg (55,4 %), Mecklenburg-Vorpommern (52,5 %),<br />

Thüringen (50,4 %), Sachsen (49,6 %) und Sachsen-Anhalt (41,9 %) (ebd., S. 8ff.). Auch der D21-Digital-Index<br />

2015 kommt zu dem Ergebnis, dass der Digitalisierungsgrad proportional zur Ortsgröße ansteigt und damit<br />

weiterhin Unterschiede zwischen städtischen Regionen und ländlichen Regionen bestehen (D21-Digital-Index<br />

2015). Die verfügbare Breitbandklasse hat Auswirkungen auch auf die Nutzungsmöglichkeiten des Internets;<br />

Dienste, die ein höheres Datenvolumen benötigen, sind bei geringeren Breitbandklassen nur eingeschränkt verfügbar.<br />

Weitere Aspekte, denen nach wie vor eine große Relevanz bei der Ausgestaltung des digitalen Lebens zukommt,<br />

sind der formale Bildungshintergrund und der sozioökonomische Status. Sowohl der Zugang und die<br />

Ausstattung mit digitalen Medien als auch die Nutzungsvielfalt und Medienkompetenz sind in der Gruppe Jugendlicher<br />

mit geringer formaler Bildung nach wie vor weit unterdurchschnittlich ausgeprägt. Junge Männer<br />

und junge Frauen, die ein Gymnasium besuchen, besitzen – in der genannten Reihenfolge – im Jahr 2013 etwas<br />

häufiger als Real- und Hauptschüler und -schülerinnen einen eigenen MP3-Player (70 % vs. 59 %), eine Digi-<br />

55<br />

Zur Erläuterung: Bei städtischen Gemeinden handelt es sich – laut Breitbandatlas (TÜV Rheinland 2015) – um Gemeinden mit einer Bevölkerung<br />

größer als bzw. gleich 500 Einwohner/km² (500 EW/ km² ≤ x), bei halbstädtischen Gemeinden um Gemeinden mit einer Bevölkerung<br />

größer als bzw. gleich 100 Einwohner/km² und kleiner 500 Einwohner/km² (100 EW/ km² ≤x < 500 EW/ km²) und bei ländlichen Gemeinden<br />

um Gemeinden mit einer Bevölkerung kleiner als 100 Einwohner/km² (x < 100 EW/ km²). In Deutschland verteilen sich ca. 21,92<br />

Mio. Haushalte auf städtische Gemeinden, ca. 13,57 Mio. auf halbstädtische Gemeinden und ca. 4,39 Mio. Haushalte auf ländliche Gemeinden.

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