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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 418 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

und Aktivitäten verfügt. Die Ausbildung zur Jugendleiterin und zum Jugendleiter, die fachlichen Schulungen in<br />

den verschiedenen Jugendverbänden und in kulturellen Angeboten, wie der politischen Jugendbildung, sind<br />

aktive und zum Teil zertifizierte Qualifikationsmaßnahmen und wesentlicher Bestandteil von Kinder- und Jugendarbeit<br />

– allerdings – und dieser Aspekt ist wichtig – fast immer mit dem Ziel der Qualifizierung und nicht<br />

des Nachweises der Qualifizierung gegenüber Externen. Jugendliche werden in diesen Zusammenhängen inhaltlich<br />

wie pädagogisch für Leitungsfunktionen und/oder die Erfüllung bestimmter inhaltlicher Aufgaben qualifiziert,<br />

die selbstverständlich über die Kinder- und Jugendarbeit hinaus als individuelle und auch gesellschaftliche<br />

Ressource verstanden werden können. In vielen Fällen – z. B. in den Lehrgängen der eher technisch orientierten<br />

und rettenden Verbände – geschieht dies zudem in hochgradig formalisierten Kursen, sodass an dieser Stelle<br />

auch die Charakterisierung als ausschließlich non-formale und erst recht als informelle Lernorte nicht aufrecht<br />

erhalten werden kann.<br />

Zweitens befindet sich – wie schon zuvor im Abs. 6.3.1 beschrieben – die Kinder- und Jugendarbeit insofern in<br />

einem Dilemma, als es weniger die Nachfrage des Marktes bzw. der Ausbildungsorte und Arbeitgeber und bislang<br />

auch noch nicht des DQR ist, die die Entwicklung vorantreiben, sondern die Kinder- und Jugendarbeit<br />

selbst, die an dieser Stelle auf die Anfragen der jungen Menschen antwortet. Es sind die Jugendlichen und jungen<br />

Erwachsenen selbst, die ihr ehrenamtliches Engagement, ihre Teilnahme und ihre Qualifikation sichtbar<br />

machen möchten und die fordern, dass diese Engagement anderenorts zu Vorteilen führt. So wurde beispielsweise<br />

als Ergebnis eines vom Deutschen Bundesjugendring (DBJR) durchgeführten Forums zu dem Thema im<br />

Rahmen des Strukturierten Dialogs als Ergebnis festgehalten: „Die Konsultationsteilnehmenden sind der Meinung,<br />

dass es im Lebenslauf einen Platz geben solle, um die außerschulisch erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten<br />

insbesondere für Arbeitgeber_innen sichtbar zu machen. Dabei solle aber kein „Pflichtenheft“ entstehen,<br />

das abgearbeitet werden müsse, da dies dem Prinzip der Freiwilligkeit in der außerschulischen Bildung widerspräche.<br />

Auf Wunsch sollten die Teilnehmenden an außerschulischen Bildungsangeboten jedoch ein Zertifikat<br />

erhalten, das diese Fähigkeiten/Aktivitäten für Dritte nachweist“ (DBJR o.J. [2012], S. 6). Und: „Eine wichtige<br />

Forderung der Konsultationsteilnehmenden ist die gleichwertige Anerkennung außerschulischer Leistungen<br />

durch Arbeitgeber_innen, welche diese genauso anerkennen sollten wie ein Zeugnis aus der Schule“ (DBJR o.J.<br />

[2012], S. 9). Zugleich waren sich die Jugendlichen der Ambivalenzen dieser Forderungen durchaus bewusst.<br />

So heißt es unter der Überschrift „Nicht alles ist messbar!“: „Einen Grund, weshalb die Anerkennung außerschulisch<br />

erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten nur schwer zu erreichen ist, sehen die Konsultationsteilnehmenden<br />

in unserer Gesellschaft und Wirtschaft, da beide nur messbare Leistungen wertschätzten. Der Mensch<br />

würde als Wirtschaftsgut betrachtet und nur selten werde wahrgenommen, dass auch ‚im Kopf‘ etwas passiere“<br />

(DBJR o.J. [2012], S. 6).<br />

Hilfreich könnte es in Bezug auf die Sichtbarmachung und Anerkennung der Kinder- und Jugendarbeit als Möglichkeitsraum<br />

für vielfältige Lern- und Bildungsprozesse auch sein, nicht von „der“ Kinder- und Jugendarbeit<br />

auszugehen, sondern sie, wie in diesem Bericht versucht, in ihrer Pluralität ernst zu nehmen und zu betrachten<br />

(Baumbast u. a. 2014, S. 70). Das erhöht für Außenstehende die Heterogenität, eröffnet aber Chancen der differenzierten<br />

Beschreibung.<br />

Wenn diese Einschätzungen zutreffen (zum Folgenden: Baumbast u. a. 2014, S. 70), stellt sich weniger die Frage<br />

des „Ob“ als vielmehr die Frage des „Wie“. Eine Folge davon ist, dass es mittlerweile eine Vielzahl von<br />

Verfahren zur Sichtbarmachung gibt, die nicht nur je nach Praxisfeld und verbandlichem bzw. Trägerprofil den<br />

Erwerb sehr unterschiedlicher Kompetenzen bestätigen, sondern die auch sehr unterschiedliche Ansprüche formulieren.<br />

Während z. B. eine Reihe von Verfahren beansprucht, im Rahmen der Kinder- und Jugendarbeit erworbene<br />

Kompetenzen zu validieren, sind andere zurückhaltender und bestätigen beobachtbare Kompetenzen,<br />

ohne eine Zurechnung auf bestimmte Kontexte zu beanspruchen. Gänzlich auf derartige – in welcher Variante<br />

auch immer – Verfahren verzichten, will offenbar kaum mehr jemand.<br />

So bleibt festzuhalten, dass „trotz wiederkehrender Krisenrhetorik“ (Thole 2013, S. 13) Settings der Kinder- und<br />

Jugendarbeit für Kinder und Jugendliche einen wichtigen Möglichkeitsraum für Lern- und Bildungsprozesse<br />

darstellen (vgl. auch Abs. 6.5.1). Die Herausforderungen bestehen eher darin, eine Balance zwischen dem genuinen<br />

Charakter der Kinder- und Jugendarbeit und den Forderungen nach einer Sichtbarmachung und Anerkennung<br />

ganz spezifischer – und damit immer nur ausschnitthaft, als Kompetenzen definierter – Ergebnisse von<br />

Lern- und Bildungsprozessen zu finden, ohne dabei nicht-intendierte Nebenwirkung auf das Praxisfeld selbst<br />

auszulösen.

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