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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 105 – Drucksache 18/11050<br />

auf die Gewährung von Entwicklungsräumen und die Normierung von Biografien sowie auf die Reduktion und<br />

Manifestation des engen Zusammenhangs von sozialer Herkunft und Bildungserfolg. Darüber hinaus weisen<br />

eine Vielzahl weiterer Regulationen in den Bereichen Bildung, Soziales, Gesundheit, Recht und Wirtschaft<br />

Implikationen für das Handeln und die Rechte Jugendlicher auf (vgl. zusammenfassend IJAB 2007). Regelungen<br />

von Fragen der Zugehörigkeit und Aufenthaltsrechte entscheiden grundlegend über die Teilhabechancen<br />

insbesondere junger Menschen (vgl. Abs. 2.1.2). Hiermit ist zugleich das Changieren zwischen Ressort- und<br />

Querschnittspolitik, die Komplexität und die Unvermitteltheit der politischen Entscheidungsebenen und insgesamt<br />

das Diffundieren von Jugendpolitik als ein abgestimmter und auf die Ermöglichung einer definierten und<br />

konturierten Jugend zielender Entscheidungsbereich beschrieben (vgl. Hornstein 1999; Hafeneger 2012).<br />

Das Fehlen einer transparenten und kohärenten sowie mit einem öffentlichen jugendpolitischen Diskussionskontext<br />

verflochtenen politischen Gestaltung des Jugendalters – jenseits ressortspezifischer und auf besondere<br />

„Problemgruppen“ zugeschnittener Erwägungen und Bedürfnisse – wird seit einigen Jahrzehnten immer wieder<br />

angemahnt (z. B. Bundesjugendkuratorium 2009). Kritisch angemerkt wird zudem die fehlende Ausrichtung<br />

jugendpolitischer Maßnahmen auf veränderte Bedingungen des Aufwachsens, u. a. im Bereich der Familie, der<br />

Bildung und des Arbeitsmarkts oder in der Medienlandschaft (vgl. hierzu Kap. 4). Auch die Ökonomisierung<br />

und Deregulierung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe sowie konzeptionelle Leerstellen bei der Initiierung<br />

von kurz- und mittelfristigen Programmen werden kritisch bewertet (z. B. Lüders 2011a; Hafeneger 2012).<br />

Nicht zuletzt scheint den im weiteren Sinne für das Jugendlich-Sein relevanten politischen Entscheidungen in<br />

den letzten Jahren die in den Bildern von Jugend vorherrschende Konzeption (vgl. Abs. 1.1) einerseits der<br />

Selbstoptimierung im Bildungs- und Wirtschaftssystem und andererseits ein Defizitblick auf Jugendliche als zu<br />

Normierende, zu Schützende und zu Kontrollierende zugrunde zu liegen. Beide Perspektiven werden in aktuellen<br />

Programmen im Rahmen des Kinder- und Jugendplans des BMFSFJ deutlich, wenn einerseits Potenziale der<br />

Jugendarbeit für den Aufbau von „Kompetenzen junger Menschen“ entwickelt und genutzt und andererseits mit<br />

dem Schwerpunkt „Integration und Chancen für Jugendliche“ sogenannten benachteiligten Jugendlichen der<br />

Weg in den Arbeitsmarkt erleichtert werden soll.<br />

Kritiken an fehlenden Reflexionen jugendpolitischer Konsequenzen aktueller Entscheidungen und Regulationen<br />

haben inzwischen politische Reaktionen hervorgerufen. So wurde auf nationaler Ebene mit dem im Jahr 2012<br />

initiierten Programm der „Eigenständigen Jugendpolitik“ der Versuch unternommen, der politischen Regulierung<br />

des Jugendalters mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen und die Beteiligung Jugendlicher an politischen<br />

Prozessen auf verschiedenen Ebenen zu erhöhen (Zentrum eigenständige Jugendpolitik 2013a). In diesem Zusammenhang<br />

wurden Leitlinien für die Jugendpolitik erarbeitet und mit den Themenschwerpunkten Bildung,<br />

Beteiligung und Übergangsgestaltung wurde eine erste jugendpolitische Agenda bestimmt. Wichtige jugendpolitische<br />

Aufgabenfelder aus der Sicht junger Menschen erfasste der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) im<br />

Rahmen des Projekts „ich-mache-Politik“, wobei u. a. medienregulative Aspekte, der Abbau von Lasten für<br />

künftige Generationen, Perspektiven und Regulationen von Jugendbeteiligung auf allen politischen Ebenen<br />

sowie die nachhaltige Unterstützung von Aktivitäten und Initiativen jugendlicher Selbstorganisation herausgestellt<br />

wurden 1 . Dieser Versuch einer Strukturierung eigenständiger Jugendpolitik wurde in erster Linie als Diskurs<br />

von Fachvertreterinnen und Fachvertretern organisiert. Ihm folgt für die Zeit von 2015 – 2018 das Programm<br />

„Handeln für eine jugendgerechte Gesellschaft“, mit dem, ausgehend von einer Koordinierungsstelle bei<br />

der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ), bereits erarbeitete Beteiligungs- und Prüfverfahren<br />

im Zusammenhang politischer Entscheidungen auf kommunaler, Länder- und Bundesebene weiterentwickelt<br />

und etabliert werden sollen. Wesentliche Aspekte sind bspw. der sogenannte Jugendcheck, mit dem Gesetzgebungsvorhaben<br />

und politische Entscheidungen auf ihre „Jugendgerechtheit“ hin überprüft werden sollen, sowie<br />

Unterstützungszusammenhänge finanzieller, medialer und methodischer sowie koordinativer Art für die Entstehung<br />

und Verankerung von Beteiligungsformen. 2 Allerdings stellt sich gerade in diesem Kontext die Frage, wie<br />

hier Jugendliche als Repräsentierende ihrer Generation adäquat beteiligt werden können und welcher Grad von<br />

Entscheidungsverantwortung ihnen zugestanden wird (vgl. unten).<br />

Ähnliche Zielstellungen verfolgt auch die EU-Jugendstrategie, die grundlegend auf eine stärkere Koordination<br />

der Mitgliedsstaaten in Fragen der Jugendpolitik ausgerichtet ist und in der sich die EU-Staaten darauf geeinigt<br />

haben, in der Zeit von 2010 bis 2018 über verschiedene Programme die soziale, bildungsbezogene und berufli-<br />

1<br />

2<br />

Zur Dokumentation der Abstimmungsergebnisse: https://tool.ichmache-politik.de/voting/results/kid/21 [19.10.2016].<br />

Vgl. hierzu Koordinierungsstelle „Handeln für eine jugendgerechte Gesellschaft“ 2015

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