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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 296 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

4.2.7 Digitale Grenzarbeit: Jugendliches Handeln in digital-vernetzten Medienwelten<br />

Alltagsleben, Ausdrucksformen und Handlungsräume Jugendlicher (vgl. Kap. 3) sind heute von digitalen Medien<br />

und Technologien durchdrungen. Quer zu Zeiten in Bildungsinstitutionen und in Familie gehen junge Menschen<br />

über digitale Medien zeit- und ortsunabhängig ihren eigenen Interessen nach, sind in Kontakt mit Peers<br />

und Partnern bzw. Partnerinnen und orientieren und inszenieren sich politisch, kulturell und religiös. An Attraktivität<br />

gewinnen Online-Räume für Jugendliche umso mehr, je weniger öffentliche Orte ihnen für Selbstpositionierungs-<br />

und Verselbstständigungsprozesse zur Verfügung stehen.<br />

Junge Menschen nehmen die Sozialen Netzwerke und Plattformen, Online-Communities und Blogs vor allem in<br />

Dienst, um sich reflektiert mit der eigenen Person und mit eigenen Themen auseinanderzusetzen und mit<br />

Gleichgesinnten ihre Begeisterung und Vorliebe für spezifische Interessen zu teilen. Im Vordergrund stehen<br />

dabei sowohl die eigene Individualität als auch der Austausch bzw. die Interaktion mit Anderen oder einem<br />

Publikum. Sie tragen damit ihren Teil an einer „Convergence Culture“ (Jenkins 2006a) bei, die sich durch das<br />

Zusammenwachsen verschiedener Technologien, Medien und Inhalte auszeichnet und in der die Grenzen zwischen<br />

Produzierenden und Konsumierenden („prosumer“) (Jenkins 2006a; Bruns 2008) als auch Amateuren/Amateurinnen<br />

und Professionellen (Deuze 2007) zunehmend verwischen. Über Praktiken wie Modding und<br />

Hacking schaffen sich junge Menschen auch Möglichkeiten, manipulativ in die Software und damit auch Konsumkultur<br />

einzugreifen, und als Fans fügen sie massenmediale Inhalte in andere Kontexte und transformieren<br />

ihre Bedeutung. Zwischen den genannten Praktiken, Szenen und Kulturen existieren immer auch zahlreiche<br />

Schnittstellen, wie ein Blick in die Kommunikationsumgebung einzelner Gamer und Gamerinnen zeigt: Diese<br />

vernetzen sich nicht nur über spezielle Gaming-Websites, sondern auch in Sozialen Netzwerken, formieren sich<br />

darüber hinaus über Video- bzw. Gaming-Kanäle sowie gamende Persönlichkeiten auf Videokanälen und bringen<br />

sich teils auch wissend und ironisch in Let´s Play-Videos oder kreativ-manipulierend und programmierend<br />

in „Machinima“ 54- Produktionen oder beim Modding ein. Bildungs- und Teilhabeerfahrungen junger Menschen<br />

sind heute immer auch mit Medienerfahrungen verknüpft.<br />

Die meiste Zeit verbringen Jugendliche im Social Web und insbesondere mit Sozialen Netzwerken und Messenger-Apps.<br />

Um erkannt zu werden und das gewünschtes Feedback zu erhalten, sind Jugendliche aufgefordert,<br />

persönliche Inhalte und Klarnamen bzw. ausreichend Kontextinformationen zu verwenden, sodass sie für ihr<br />

soziales Netzwerk identifizierbar sind. Dies erfolgt aktuell vor allem über Profile und vorstrukturierte Eingabemasken,<br />

die den Spielraum für selbstbestimmte und eigensinnige Selbstpositionierungen beschränken. Die Eingaben<br />

sind in der Regel öffentlich zugänglich bzw. bedürfen einer gesonderten Einstellung, wenn sie nur für<br />

einen selbst gewählten Kreis sichtbar sein sollen. Problematisiert wird die „öffentliche Datenpreisgabe“ von<br />

Jugendlichen vor allem im Hinblick auf Autoritätspersonen wie Eltern und Lehrende, auch möchten sie sich vor<br />

peinlichen Situationen schützen. Den Staat und Unternehmen haben Jugendliche als Verwerter kaum im Blick.<br />

Sie schaffen sich vor allem „persönliche Öffentlichkeiten“, d. h. Informationen werden also nicht per se und<br />

einseitig an ein großes Publikum verbreitet, sondern in einem selbst gewählten Netzwerk dialogisch geteilt<br />

(Schmidt 2013). Nur weil persönliche Informationen ins Internet gestellt werden, sind sie für Jugendliche also<br />

nicht gleich öffentlich (Lange 2008). Unter den aktuellen Bedingungen, bemühen sie sich um eine prekäre<br />

„networked privacy“ (vgl. Marwick/Boyd 2014).<br />

Aktuell konzentriert sich das digitale Ökosystem junger Menschen vor allem auf vier Dienste, wobei sich drei<br />

davon (WhatsApp, Facebook, Instagram) in der Hand eines Unternehmens befinden, sodass dieses Unternehmen<br />

Zugriff auf eine unbegrenzte Menge an Daten zu einzelnen Personen und Gruppen hat. Die Daten sind über<br />

technische Mittel bzw. Verweise wie Links, Codes, URL-Parameter usw. verknüpft und lassen sich nur schwer<br />

und vor allem nicht selbstständig löschen. Aufgrund der Persistenz dieser im Netz gespeicherten Informationen<br />

und dem zu erwartenden weiteren Zusammenwachsen von Anwendungen aus dem Bereich der Social Software<br />

mit anderen Diensten, wird es in Zukunft möglich sein, immer detailliertere (Daten)Profile einzelner Personen<br />

zu erstellen. Für Jugendliche besteht hier ein Dilemma: Soziale Inklusion ist im digitalen Ermöglichungsraum<br />

Jugend somit nur unter Preisgabe persönlicher Daten möglich. Dies erklärt wohl auch, warum Jugendliche zwar<br />

Risiken ihres Handelns benennen, aber ihr eigenes Handeln oftmals nicht entsprechend ausrichten (können). Die<br />

54<br />

Der Begriff Machinima setzt sich aus „machine“ (engl. für Maschine) und „cinema“ (engl. für Kino) zusammen. Es handelt sich um Filme,<br />

die mit Hilfe von Spiel-Engines inszeniert werden: Das Spiel wird zum Drehort, die Schauspielenden sind virtuelle Figuren (Biermann u. a<br />

2010, S. 68–70).

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