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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 56 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

Jugendkulturen und Jugendszenen sind besondere Ausdrucksformen Jugendlicher<br />

Jugendkulturen und Jugendszenen gelten als die jugendlichen Ausdrucksformen schlechthin. In ihnen können<br />

sich Jugendliche individuell, gleich gesinnt und gemeinsam mit anderen ausprobieren, über Musik, Kleidungsstile,<br />

Symbole und Sprache eigene, kreative Formen ihres Lebensgefühls finden und sich – sichtbar für den Rest<br />

der Gesellschaft – abgrenzend inszenieren. Das ist nichts Neues, denn die Bedeutung der Jugendkulturen für das<br />

Jugendalter wird – auch im Verhältnis zu den älteren Generationen – seit mehr als 100 Jahren diskutiert, wenngleich<br />

die Kulturen und Szenen in ihren Inhalten und Formen ständig wechseln.<br />

Verändert haben sich allerdings – insbesondere auch im Zuge der Mediatisierung – die Formen der Vergemeinschaftung.<br />

So ist inzwischen immer mehr von globalen Formen der Zugehörigkeit auszugehen, sodass sich Szenen<br />

teils transnational vernetzen, aber auch weiterhin lokal an konkreten Orten und unter bestimmten räumlichen<br />

und kulturellen Bedingungen spezifizieren. Zudem haben sich Kulturen und Szenen insbesondere in den<br />

letzten beiden Jahrzehnten stark ausdifferenziert und pluralisiert. Im Vergleich zu den Anfängen der 1990er-<br />

Jahre können wir derzeit auf eine nahezu unüberschaubare Fülle an jugendlichen Kulturen, Szenen und Gruppen<br />

blicken, die – von außen – nicht immer so ganz einfach voneinander zu unterscheiden sind.<br />

Zwar kann nicht genau ausgelotet werden, wie sich die quantitative Zugehörigkeit zu Jugendkulturen aktuell<br />

genau darstellt; Schätzungen ergeben, dass sich ca. ein Viertel der Jugendlichen spezifischen Jugendszenen<br />

zurechnet, wobei diese Zahl noch keine Szene-Sympathisanten und Sympathisantinnen einbezieht.<br />

Der Zugang Jugendlicher zu den Jugendkulturen und Jugendszenen vermittelt sich über traditionelle Medien<br />

wie Musik, über persönliche Interessen und Leidenschaften (Mode, Fußball, Autos), über Lebensfragen (Politik,<br />

Ökologie, Ernährung) oder andere Aspekte, die Anreize bieten, sich näher für sie zu interessieren. Eine zunehmend<br />

zentralere Rolle spielen dabei digitale Medien, da sie vielfältige Informationen liefern und Räume zur<br />

Vergemeinschaftung und auch Selbstinszenierung eröffnen. Online lassen sich Zugehörigkeiten zu jugendkulturellen<br />

Gruppen darstellen und neue Anerkennungskontexte eröffnen. Diese Räume sind damit für Jugendliche in<br />

höchstem Maße identitätsrelevant. Dabei handelt es sich in der Regel aber weiterhin um Szenen und Kulturen,<br />

die, selbst wenn sie online gegründet wurden, offline gelebt werden und ihre Relevanz für Jugendliche unter den<br />

jeweiligen kulturellen und regionalen Besonderheiten erhalten. Die Bedeutung lokaler Jugendkulturlandschaften<br />

bleibt daher von großer Relevanz.<br />

Eine andere Bedeutung dieser jugendkulturellen Szenen liegt in ihrem Bildungspotenzial. Sie werden daher<br />

auch als „geheimes Bildungsprogramm“ mit sehr vielfältigen Facetten bezeichnet. Nicht zuletzt bilden sie Kontexte<br />

der Einübung und Verfestigung politischer Haltungen und Beteiligungsformen. Zugleich stehen einige<br />

Szenen der demokratischen Gesellschaft auch in kritischer Distanz – bis hin zu offener Ablehnung – gegenüber.<br />

Damit finden auch gewaltbereite und rechtsextreme Positionierungen in Jugendkulturen Widerhall.<br />

Über die Bedeutung sozialer Ungleichheit für die Zugehörigkeit zu Jugendszenen wird kontrovers diskutiert.<br />

Einige Befunde sehen in Szenen Orte des milieuübergreifenden Austauschs und Zusammenlebens. Andere betonen,<br />

dass kulturelle Praxisformen zwar de-hierarchisiert werden, aber dennoch soziale Strukturunterschiede in<br />

ihrer Wirkung bestehen bleiben.<br />

Jugendliche zeigen hohe Demokratieaffinität und vielseitiges Engagement<br />

Jugendliche sind Teil der politischen Kultur und daher auch eingebunden in z. B. Auseinandersetzungen über<br />

die gesellschaftliche Pluralität, den Erhalt demokratischer Strukturen und den Fortbestand von Bürgerrechten.<br />

Sie sind – soweit sie sich aktiv beteiligen – selbst politische Akteure. Blickt man jedoch differenziert auf die<br />

Einbindung Jugendlicher in politische Entscheidungen und ihre Strukturen, fällt auf, dass das Handeln Jugendlicher<br />

i. d. R. an den Vorstellungen der etablierten Institutionen und den politischen Einstellungen, Handlungsformen<br />

und Beteiligungen von Erwachsenen gemessen wird. Verkannt wird zudem, dass die tatsächlichen Mitwirkungsrechte<br />

Jugendlicher im Kern sehr schmal sind und es kaum verbindliche rechtliche Rahmungen hierfür<br />

gibt. Es wundert daher nicht, dass Jugendliche in bestehenden Politikformen und -orten eher weniger aktiv sind.<br />

So zeigt sich auch, dass das politische Interesse Jugendlicher, sich an diesen Formen und Orten zu betätigen,<br />

hinter dem Interesse anderer Altersgruppen zurückbleibt. Das gilt etwa für die Beteiligung an Wahlen und die<br />

Mitgliedschaft in Parteien. Darin lassen sich jedoch weder generelle Demokratiefeindlichkeit noch fundamentale<br />

Politikverdrossenheit erkennen. So geben etwa drei Viertel der Jugendlichen an, mit dem deutschen demokratischen<br />

System insgesamt zufrieden zu sein; zum anderen entwickeln sie auch politische Aktivitäten jenseits von<br />

Mitgliedschaften und Organisationen.

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