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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 57 – Drucksache 18/11050<br />

Es bedarf daher eines deutlich erweiterten Blicks auf „Politik“ und „politisches Verhalten“, will man das politische<br />

Interesse Jugendlicher erkennen. Ihr Engagement reicht dann vom regelmäßigen und dauerhaften Engagement<br />

in Jugendverbänden und Organisationen über die Beteiligung an Online-Petitionen und Diskussionen in<br />

sozialen Netzwerken bis zu spontanem Engagement für geflüchtete Menschen. Auch engagiert sich etwa ein<br />

Drittel der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ehrenamtlich, etwa durch die Übernahme von sozialer und<br />

verbandspolitischer Verantwortung. Insgesamt zeigt sich ein breites Spektrum vielfältiger Formen öffentlicher<br />

Interessenartikulation und politischer Partizipation von Jugendlichen, die teils auch von ihnen selbst entwickelt<br />

wurden und in denen das Internet als Artikulations- und Informationsmedium eine zunehmend wichtige Rolle<br />

spielt.<br />

Deutlich wird allerdings auch, dass sowohl das politische Interesse als auch die politische Teilhabe im Zeitverlauf<br />

deutlichen Schwankungen unterliegt. Auffallend ist, dass das Interesse und die Teilhabe während der internationalen<br />

Wirtschaftskrise um 2008/2009 und auch in den vergangenen Jahren im Zuge des sich entfaltenden<br />

Antipluralismus in der Bundesrepublik deutlich angestiegen sind. Weiterhin zeigt sich, dass sich nicht alle Jugendlichen<br />

gleichermaßen interessieren und engagieren. So hängt das politische Interesse z. B. auch von familiären<br />

Bedingungen ab: Jugendliche aus höheren sozialen Milieus und mit höheren (angestrebten oder erreichten)<br />

Bildungsabschlüssen interessieren sich stärker für Politik als andere; das Handeln Jugendlicher, die in prekären<br />

Lebenslagen aufwachsen, wird hingegen am seltensten mit Politik in Verbindung gebracht. Diese Jugendlichen<br />

beziehen sich jedoch über andere, weniger anerkannte Artikulations- und Beteiligungsformen ebenso auf gesellschaftliche<br />

Fragen und Aspekte ihres Lebensalltags, während ihnen etablierte Politik häufig entfremdet und<br />

außerhalb ihres Einflussbereiches erscheint.<br />

Auch Jugendliche und junge Erwachsene betreiben rassistische und gewaltförmige Selbstpositionierungen<br />

Jugendliche und junge Erwachsene sind allerdings auch Teil der sich in den letzten Jahren verstärkt in Form<br />

einer gewalttätigen und rassistischen Anti-Asyl-Bewegung etablierenden Neuen Rechten in der Bundesrepublik<br />

Deutschland. Jugendliche Lebenswelten im nationalistisch-völkischen und rechten Spektrum reichen dabei von<br />

organisierten Gruppen mit hohem Gewaltpotenzial und rechtsextremer Ideologie bis zu rechtsaffinen Musikfans,<br />

die Ungleichheitsideologien akzeptieren, nationalistische Diskurse pflegen und sich als ästhetische Rebellen<br />

und Vertreter und Vertreterinnen freiheitlicher Werte verstehen. Neben der nationalistischen Ausrichtung<br />

zeichnen sich rechte Szenen durch ein massives Gewaltpotenzial aus, das sich in einem sprunghaften Anstieg<br />

rechtsextremer Straftaten im Jahr 2015 dokumentiert. Erscheinungsformen dieser Gewalt reichen von gewalttätigen<br />

Ausschreitungen bei Demonstrationen nationalistisch eingestellter Hooligans über Brandanschläge auf<br />

geplante Unterkünfte für geflüchtete Menschen bis hin zu Angriffen auf einzelne Menschen mit z. B. homosexueller<br />

Orientierung. Dabei sind weder die Verbreitung rechtsextremer und nationalistischer Ideologien noch<br />

rechte Gewalt und rassistische Übergriffe als ein spezifisches Jugendproblem zu verstehen.<br />

Jugendliche leben Religiosität in individualisierter Form<br />

Die Religionszugehörigkeit Jugendlicher ist in den letzten 15 Jahren etwa konstant geblieben: Ungefähr drei<br />

Viertel geben in Umfragen an, einer Religion anzugehören. Teilweise in Ergänzung, teilweise im Kontrast zu<br />

den offiziellen Religionen lösen Jugendliche allerdings ihren privaten Glauben zunehmend von kirchlichen<br />

Dogmen. Glaubensevents entwickeln für sie eine wachsende Anziehungskraft. Gleichzeitig wächst die Zahl der<br />

Jugendlichen, die sich einer privat konstruierten Spiritualität zuwenden.<br />

Zugleich stehen junge Menschen, wie schon in den 1990er-Jahren, aktuell wieder im Zentrum der Ansprache<br />

durch fundamentalistische Gruppen. Eine Gefährdung Jugendlicher durch fundamentalistische Ideologien wird<br />

derzeit fast ausschließlich mit Blick auf Phänomene des Islamismus diskutiert. Dass dies auch als Ausdruck<br />

kultureller Differenzzuschreibungen und Abwertungen verstanden werden muss, zeigen auch die wenigen differenzierten<br />

empirischen Studien: Sie stellen bei jungen Menschen muslimischen Glaubens keinen ausgeprägteren<br />

Autoritarismus fest als bei anderen Jugendlichen. Offenheit für fundamentalistische Ansprache ist dagegen auch<br />

bei jungen Menschen vor allem an das Bildungsniveau gekoppelt.<br />

Räumliche Strukturen begrenzen jugendkulturelle Möglichkeits- und Bildungsräume<br />

Ländliche, strukturschwache Räume und innerstädtische Quartiere mit niedrigem sozialem Status können das<br />

Aufwachsen bzw. die Lebensbedingungen und Handlungsmöglichkeiten von Jugendlichen massiv beeinflussen

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