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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 218 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

schaften zu werden, auch in außerschulischen Kontexten fortgeführt werden (können). Schule als Ort der alltäglichen<br />

Begegnung zwischen Jugendlichen unterschiedlicher ethnischer Herkunft birgt damit hohe Potenziale in<br />

sich, interethnische Freundschaften zu ermöglichen und darüber fremdenfeindliche Einstellungen abzubauen<br />

bzw. gar nicht erst entstehen zu lassen (vgl. Wiezorek/Fritzsche 2007, S. 262).<br />

Soziale Isolation und belastete Peerbeziehungen<br />

Wenngleich die starke Hinwendung zu gleichaltrigen und gleichgesinnten Bezugspersonen ein zentrales Charakteristikum<br />

der Jugendphase ist, kann der Kontakt zu Gleichaltrigen oder auch der formalisierte Zusammenschluss<br />

von Jugendlichen in organisierten Gruppen, wie vor allem Schulklassen, auch problematisch sein oder<br />

belastende Momente in sich bergen. Fend (2005) sowie Hurrelmann und Quenzel (2013) vermuten für etwa<br />

zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen, dass sie aus Peerkontexten ausgeschlossen sind und Probleme damit<br />

haben, Anschluss in den Peergemeinschaften zu finden. In der NRW-Jugendstudie gibt immerhin fast ein Viertel<br />

der Befragten an, dass es nicht so einfach ist, in der Schulklasse Anschluss und Kontakt zu bekommen (Maschke<br />

u. a. 2013). Während ein starker Ausschluss bei den meisten Jugendlichen eher phasenweise auftritt, findet<br />

sich dennoch eine kleine Gruppe von Jugendlichen, für die eine soziale Isolation, freiwillig oder unfreiwillig,<br />

relativ dauerhaft zutrifft (von Salisch 2015). Soziale Isolation kann dabei sowohl durch ein aktives Ablehnen als<br />

auch ein eher passives Ignorieren durch Peers gekennzeichnet sein. Ein Ausschluss aus Peerkontexten, der auf<br />

Ablehnungstendenzen durch Peers zurückzuführen ist, zeigt sich auf der Basis von Längsschnittstudien häufig<br />

bereits im Kindesalter und verfestigt sich über die Schullaufbahn hinweg (ebd.).<br />

Aktive Ablehnungsprozesse zwischen Gleichaltrigen werden häufig unter dem Begriff des Mobbings oder der<br />

Peer-Viktimisierung gefasst. Dabei können verbale und physische Aggressionen gegenüber Jugendlichen als<br />

offene Formen von eher indirekten Formen, wie Rufschädigungen gegenüber Dritten, unterschieden werden, die<br />

oft auch medial vermittelt über soziale Netzwerke funktionieren (etwa durch das sogenannte Cyberbullying, vgl.<br />

Kap. 4). Immerhin 44 Prozent der in Nordrhein-Westfalen befragten Zehn- bis 18-Jährigen stimmen der Aussage<br />

zu bzw. eher zu, dass Mitschülerinnen und Mitschüler oft beleidigt werden. Etwa 13 Prozent sind in der<br />

Schule schon öfter mit Hänseleien und Beschimpfungen konfrontiert worden. Gewaltförmige Erfahrungen sind<br />

zwar seltener, aber immerhin acht Prozent der Befragten gaben an, dass sie schon öfter („mehrmals im Monat“)<br />

von anderen geschlagen wurden. Vier Prozent wurden darüber hinaus bereits öfter beim Chatten im Internet<br />

beleidigt oder bloßgestellt (ebd., S. 145). In der internationalen HSBC Gesundheitsstudie geben etwa<br />

zehn Prozent aller Befragten der Klassenstufen 5, 7 und 9 an, mindestens zwei bis drei Mal im Monat Opfer von<br />

Mobbingaktionen in der Schule zu sein. Dabei liegt das Risiko für Hauptschüler doppelt so hoch wie für Gymnasiasten<br />

und auch Schülerinnen und Schüler aus Stiefelternfamilien sind stärker betroffen als diejenigen, die<br />

mit beiden Eltern aufwachsen (vgl. Richter u. a., S. 26). Damit können die sozialen Konstellationen in den<br />

Schulen, in denen sich familiale und andere Belastungsfaktoren kumulieren als entscheidende Einflussfaktoren<br />

gelten. Für die betroffenen Jugendlichen können solche Erfahrungen einschneidende Konsequenzen haben, da<br />

damit sowohl kurzfristige (Einsamkeit und geringes Selbstwertgefühl) als auch langfristige negative Folgen<br />

(emotionale Probleme, soziale Ängste und Depressionen) einhergehen können (vgl. Siegel u. a. 2009; Bilz<br />

2008).<br />

In der Diskussion um Jugendliche und ihre Freundesgruppen werden häufig die negativen Effekte, wie Gewalt<br />

oder Delinquenz, hervorgehoben, während die vielfältigen Unterstützungsleistungen, Anregungspotenziale und<br />

kreativen Prozesse innerhalb von Peerkulturen erst in den letzten Jahren stärker betont werden. Erst dadurch<br />

wird jedoch deutlich, dass gerade auch die Nicht-Einbindung in Gleichaltrigenbeziehungen problematisch für<br />

Entwicklungsprozesse im Jugendalter sein kann und Risiken birgt. So berichten Jugendliche, die nicht in informelle<br />

Freundesgruppen eingebunden und von Ablehnung betroffen sind, eher als integrierte Jugendliche, von<br />

eigenen Verhaltensproblemen, Substanzmissbrauch, Ängstlichkeit und Einsamkeitsgefühlen (vgl. Bukowski<br />

u. a. 2009; von Salisch 2015; Eckert u. a. 2015). Nicht selten weisen diese Nicht-Eingebundenen zudem Defizite<br />

im Bereich gemeinsamer Konfliktlösungs- und Aushandlungsstrategien auf (vgl. Chassé u. a. 2003), sodass soziale<br />

Verselbstständigungsprozesse problematisch werden können.<br />

Als Ursachen für solche Ausgrenzungen werden zum einen mangelnde sozio-emotionale Kompetenzen angegeben,<br />

die es den Jugendlichen erschweren, Peerkontakte zu knüpfen (vgl. von Salisch 2015). Langfristig bleiben<br />

so positive Unterstützungspotenziale durch Peers und peerbezogene Lernerfahrungen aus. Gleichaltrigenbeziehungen<br />

erfordern aufgrund ihrer Freiwilligkeit und Gleichberechtigung ein hohes Maß an Kooperations-,<br />

Verhandlungs- und Kritikfähigkeit. Dies vor allem deswegen, weil sie – anders als die Einbindung in die Fami-

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