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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 421 – Drucksache 18/11050<br />

Die beschriebenen Wege und Möglichkeiten der Interessenvertretung sind nicht in allen Regionen vorhanden<br />

und nicht immer und überall werden damit verbundene Erwartungen und Ziele auch eingelöst. So existieren<br />

z. B. nur in 68 Prozent der Jugendamtsbezirke auch Jugendringe und fast jeder dritte Jugendring (32 %) hat kein<br />

hauptberuflich für den Jugendring angestelltes Personal, was sich auf die Formen und Intensität der Unterstützung<br />

der Mitgliedsverbände, Vernetzungs- und Multiplikationsaufgaben und z. B. auf die Selbsteinschätzung<br />

der Interessenvertretung auswirkt (vgl. DJI-Jugendringerhebung 2015).<br />

Es bedarf daher einer Perspektive, die junge Menschen bei der Wahrnehmung ihrer Belange unterstützt und<br />

diese auch in die Entwicklung politischer Handlungsstrategien einbringt. Der Kinder- und Jugendarbeit als eine<br />

Institution im Gefüge des Aufwachsens kommt dabei eine bedeutsame Rolle zu. Ob sie diese auch zukünftig<br />

wahrnimmt bzw. wahrnehmen kann, wird auch davon abhängen, wie sich die Kinder- und Jugendarbeit einerseits<br />

zu bestimmten Themen positioniert und mit welcher Intensität sie sich den Herausforderungen, mit denen<br />

sie konfrontiert sein wird, stellt und andererseits davon, wie es ihr gelingt, (funktionale) Erwartungen von außen<br />

in Einklang mit ihren Grundprinzipien zu bringen. Interessenvertretung junger Menschen ist dabei kein Instrument<br />

zur Durchsetzung der Interessen Erwachsener – auch wenn es aus der Politik wachsende Signale gibt, dass<br />

Jugendliche ihre Stimme einbringen und gesellschaftlich in bestimmten Bereichen mitwirken sollten. So zeigen<br />

Studien (vgl. z. B. Wächter/Zinser 2006; Burdewick 2003) für ganz unterschiedliche Zusammenhänge, dass<br />

Jugendliche sich nur dann engagieren und für ihre Interessendurchsetzung sorgen, wenn mit den eröffneten<br />

Möglichkeiten auch tatsächliche Mitgestaltungsmöglichkeiten für sie verbunden sind. Diese Erwartung an die<br />

Ernsthaftigkeit ist zu einem entscheidenden Prüfstein in Richtung Politik geworden. Denn die paradoxe Situation<br />

ist, dass zwar einerseits die Forderung seitens der Politik nach mehr Beteiligung von Jugendlichen in und an<br />

gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen lauter und scheinbar auch dringender geworden ist; zugleich erleben<br />

junge Menschen in derartigen Prozessen immer wieder, dass sie auf reale oder vermeintliche Sachzwänge stoßen,<br />

die ihre Interessen ins Leere laufen lassen.<br />

Angesichts der seitens der Politik immer wieder formulierten Wünsche und Vorstellungen nach neuen, offeneren<br />

Formen der Interessenvertretung wird noch ein anderes seit einiger Zeit immer wieder auftretendes Problem<br />

sichtbar. Mit dem Wunsch nach neuen Formen – auch wenn das selten ausdrücklich so formuliert wird – wird<br />

auch die Botschaft vermittelt, dass den bisherigen Formen der Interessenvertretung in der Kinder- und Jugendarbeit<br />

offenbar nicht mehr die Breite und Kompetenz der Vertretung von Interessen von und durch Jugendlichen<br />

zugetraut wird. Das kann – auch wenn es notwendig ist, immer wieder genau zu prüfen, wie eine Interessenvertretung<br />

gut gelingen kann – auch zu De-Legitimationsprozessen bestehender und gewachsener Formen, auch der<br />

Kinder- und Jugendarbeit, führen. Es mag sein, dass eine Vielfalt der Formen der Interessenvertretung möglicherweise<br />

mehr Jugendliche erreicht, aber – genauer hingeschaut – laufen die Bemühungen um eine Interessenvertretung<br />

Gefahr, immer unschärfer zu werden und in lokalen Entscheidungsprozessen beliebig oder auch gar<br />

nicht aufgegriffen zu werden. Politik kann (aus-)wählen – und tut dies auch.<br />

Hier stellt sich die Frage, wie sich die Kinder- und Jugendarbeit vor dem Hintergrund verschiedener Entwicklungen<br />

mittelfristig zu der Aufgabe der Interessenvertretung verhält. Eine Herausforderung wird es sein, die<br />

Formen der Interessenvertretung immer wieder an die Bedürfnisse von Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />

anzupassen. So findet die Artikulation von Interessen z. B. auch immer mehr in sozialen Netzwerken der digitalen<br />

Medien statt. Dies geschieht in zweierlei Hinsicht: zum einen im Rahmen von „Vertretungsnetzwerken“, in<br />

denen politische Positionsformulierungen vorgenommen und direkt oder auch indirekt vertreten werden (zumeist<br />

auch in Form einer Lobbyfunktion, wie sie auch von Mitwirkungen der Kinder- und Jugendarbeit wahrgenommen<br />

werden), zum anderen auch – das ist neu – in digitalen Netzwerken, in denen Jugendliche sich äußern<br />

oder direkt zur Artikulation ihrer Interessen aufgefordert werden. Beispiele hierfür sind Projekte wie „Ichmache>Politik“<br />

im Rahmen des „Strukturierten Dialogs“, aber auch andere Möglichkeiten und Gelegenheiten,<br />

wie Projekte der Medienarbeit mit Jugendlichen (z. B. Plattformen der Landtage) zeigen.<br />

Die Vertretung von Interessen Jugendlicher bedarf auch eines besonderen Blicks bezogen auf Jugendliche mit<br />

Migrationshintergrund und ihre Formen der Interessenvertretung (vgl. zu einer Übersicht z. B. Drücker 2013;<br />

Coelen u. a. 2015; zum Aspekt der Anerkennung Jagusch 2011). Neben der Gründung eigener Jugendverbände<br />

(z. B. Alevitische Jugend als erster Jugendverband 1994) haben sich in den letzten Jahren weitere Formen der<br />

Interessenvertretung herausgebildet, die lokal ohne Einbindung in größere Verbände und Organisationen bestehen<br />

und die Belange junger Migrantinnen und Migranten zum Ausdruck bringen. Diese agieren oftmals nur in<br />

bestimmten Regionen, vor allem in Ballungsräumen. Zudem sind sie oft noch nicht ausreichend in die Strukturen<br />

der Kinder- und Jugendarbeit (z. B. die Jugendringe) eingebunden, die eine Interessenvertretung gegenüber<br />

Politik und Verwaltung erleichtern würde. Ihre Bedeutung ist jedoch zunehmend gewachsen, da sie gerade auch

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