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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 115 – Drucksache 18/11050<br />

mit Bezug auf Familie (Hopf 2007) und Schule (Krüger/Grunert 2002; Helsper u. a. 2006) gezeigt werden.<br />

Denn Jugendliche können zwar mit Beteiligungsrechten ausgestattet werden, doch wenn sie keine politische<br />

Kultur demokratischer Milieus finden, die unmittelbar in ihr soziales Umfeld verankert ist, bleibt es dabei, dass<br />

nur diejenigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine biografische Passung zu den Beteiligungsrechten<br />

finden, die diese unmittelbar mit ihren Interessen aus ihrem persönlichen Leben verbinden können. Hier findet<br />

sich dann die „klassische soziale Schere der Beteiligung“. Es werden lediglich diejenigen Jugendlichen erreicht,<br />

die sozial etablierte Beteiligungsformen für sich nutzen können.<br />

Insgesamt kann also zunächst festgehalten werden, dass jenseits der institutionalisierten Interessen an Partizipation<br />

der jugendpolitische Rahmen unklar ist, in dem gegenwärtig Partizipation politisch gefordert und ermöglicht<br />

wird. So sind bisher kaum Perspektiven entwickelt worden (vgl. Scherr 2013b), die z. B. im Anschluss an<br />

Fraser (2004) danach fragen, wie soziale Konstellationen „partizipatorischer Parität“ geschaffen werden können,<br />

in denen eine Aushandlung von unterschiedlichen Positionen Jugendlicher angesichts sozialer Ungleichheiten<br />

und des Machtgefälles zwischen Jugendlichen und Erwachsenen möglich wird. Fraser nennt eine objektive<br />

und intersubjektive Bedingung partizipatorischer Parität: „Von vornherein ausgeschlossen sind deshalb auch die<br />

gesellschaftlichen Strukturen, die Verelendung, Ausbeutung und schwerwiegende Ungleichheiten in Sachen<br />

Wohlstand, Einkommen und Freizeit institutionalisieren und dabei einigen Menschen die Mittel und Gelegenheiten<br />

vorenthalten, mit anderen als Ebenbürtige zu interagieren. Die zweite Bedingung verlangt dagegen, dass<br />

institutionalisierte kulturelle Wertmuster allen Partizipierenden den gleichen Respekt erweisen und Chancengleichheit<br />

beim Erwerb gesellschaftlicher Achtung gewährleisten“ (Fraser 2001, S. 55). Beide Bedingungen<br />

sind angesichts anhaltender sozialstruktureller und bildungsbezogener Ungleichheiten einerseits und Formen<br />

institutioneller Schließung und Diskriminierung andererseits kaum als erfüllt zu betrachten.<br />

In diesem Zusammenhang hat die Partizipationsdiskussion die Debatte um Diversität bisher kaum aufgenommen.<br />

Hormel und Scherr (2004) weisen dabei auf die Trivialisierung und Reduzierung von Diversity-Konzepten<br />

hin, wenn diese lediglich in die Feststellung der Vervielfältigung von individuellen Lebensformen münden und<br />

dann allein wiederum neue Formen der „biografischen Passung“ gefordert werden. Diversität müsse konzeptionell<br />

in ein Spannungsverhältnis zum Integrationsmodus Jugend und sozialstrukturell zur Frage der Beteiligung<br />

unterschiedlicher Gruppen gesetzt werden. Damit werde die Hintergrundvielfalt des Sozialen sichtbar: Wer<br />

kann sich Eigenwelten leisten und wer nicht, wo ist eine selbstbestimmte Verantwortungsübernahme und wo<br />

herrscht eher Zwang, wem bleibt nichts anderes übrig, als sich anzupassen etc.<br />

Zu klären ist somit, wie sozial bedeutsame Differenzen im Jugendalter hergestellt werden und ob bzw. wie diese<br />

Differenzmerkmale mit Ungleichheits- und Machtrelationen in Zusammenhang stehen bzw. als Mittel sozialer<br />

Typisierungen, Herstellung von Benachteiligungen und Ausgrenzungen oder ungleicher Bildungschancen verwendet<br />

werden. Diversity und Partizipation verlangen somit eine Auseinandersetzung mit Klassifikationen, die<br />

auf Minderwertigkeit verweisen, zur Begründung von Benachteiligung und Ungleichheit herangezogen werden<br />

und somit Prozesse der partizipatorischen Parität strukturell verhindern können (vgl. Hormel/Scherr 2004). So<br />

verstanden meint Diversität auch mehr als nur das Erkennen und Anerkennen von sozialer und kultureller Vielfalt<br />

und unterschiedlichen Lebensformen und Zugehörigkeiten, die neben der herrschenden gesellschaftlichen<br />

Normalität liegen. Es verlangt z. B. gleichzeitig die Wahrnehmung unterschiedlicher sozialer Teilhabe- und<br />

Handlungsspielräume von Jugendlichen sowie die Problematisierung von rassistischen sowie diskriminierenden<br />

Alltagswelten. Dabei ist zu reflektieren, dass „jede Sichtbarmachung, Einbeziehung und Berücksichtigung minorisierter<br />

Perspektiven“ den Fallstricken einer „nicht-essentialistischen Selbst-Repräsentation“ marginalisierter<br />

und der „Unmöglichkeit umfassender Repräsentationen auf der Grundlage nicht ausgrenzender Identitätsbildung“<br />

unterliegt (Lutz u. a. 2013, S. 13).<br />

Doch auch jenseits der Frage, wie Beteiligung und Partizipation im Horizont von Diversität und Heterogenität<br />

in der politischen Alltagskultur eingelöst werden könnten, eröffnet sich noch ein weiteres Problem im Zusammenhang<br />

des Beteiligungsdilemmas: Dies betrifft quasi seine bloße Existenz. Denn streng genommen wird mit<br />

der Forderung nach Beteiligung bereits ein Regularium eingeführt, das auf eine ungleiche Machtverteilung verweist.<br />

Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es um Beteiligungsformen und -möglichkeiten in sozialstatistischen<br />

Analysen und empirischen Forschungen geht, aber auch darüber hinaus: wenn es um die Frage nach Beteiligung<br />

schlechthin geht. Eine entsprechende Debatte wurde in diesem Zusammenhang bspw. in der Sachverständigenkommission<br />

des 15. Jugendberichts über die Forderung nach Beteiligung junger Menschen an der<br />

Berichtserstellung geführt. Sie resultiert aus der expliziten Aufforderung an die Kommission im Berichtsauftrag,<br />

die Sicht junger Menschen zu berücksichtigen: „Als ein innovatives Element in der Jugendberichterstattung soll

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