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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 289 – Drucksache 18/11050<br />

gleichermaßen einen Anlass zur Kommunikation bieten, erscheint dies legitim. Grundsätzlich sind Weblogs<br />

jedoch flexibler und leichter zu verändern als Homepages – und damit auch näher am Zeitgeist.<br />

Jugendliche nutzen die Blogs vor allem zur Selbstdarstellung (Shell Deutschland Holding 2015, S. 149). Differenziert<br />

werden kann zwischen zwei Arten von Selbstdarstellung: der „authentischen Selbstdarstellung“, die<br />

dazu dient, die aktuelle Identität zu stabilisieren oder zu konsolidieren und der „experimentellen Selbstdarstellung“,<br />

bei der die Homepage bzw. der Blog als Probe- oder auch Fluchtraum genutzt wird, um mit Rollen und<br />

Identitäten oder Ideal- und Wunschselbsten zu experimentieren, ohne Angst vor sozialen Restriktionen haben zu<br />

müssen (Misoch 2007; vgl. auch Turkle 1998; Bruckman 1992; Tillmann/Vollbrecht 2006). Für die Jugendlichen<br />

wesentlich ist, dass sie selbst entscheiden können, welche Selbstaspekte sie von sich preisgeben. So nutzen<br />

sie den digitalen Freiraum insbesondere auch, um Gedanken und Gefühle, also die innere Welt zu artikulieren<br />

und zu reflektieren. Gerade ihr „Anders-sein-dürfen“ bzw. das „So-sein-dürfen“ wie sie wirklich sind, ein für<br />

Jugendliche oft virulentes Thema, kann im halbanonymen Internet partiell ausgelebt werden (Tillmann/Vollbrecht<br />

2006). So zeigt auch eine Studie von Qian und Scott (2007) über Anonymität und Selbstoffenbarung<br />

in Weblogs, dass der größte Teil der Bloggenden unter einem Pseudonym schreibt, nur 12,6 Prozent<br />

bloggen unter ihrem richtigen Namen. Allerdings lassen Fotografien, Bilder, E-Mailadressen, usw. durchaus<br />

Rückschlüsse auf die Identität der Blogger zu (ebd.; Schmidt 2006; Herring u. a. 2004).<br />

In der Regel werden Blogs oder Websites vor allem dazu genutzt, um sich darzustellen und reflektiert mit der<br />

eigenen Person und den eigenen Themen auseinanderzusetzen. Darüber hinaus dienen sie aber auch dazu, an<br />

Informationen zu gelangen und mit Gleichgesinnten in Kontakt zu treten und darüber Begeisterung und Vorliebe<br />

für spezifische Interessen und Leidenschaften zu teilen (Reichmayr 2005; Harders/Hesse 2006). Reichmayr<br />

beschreibt das Bloggen der Jugendlichen ihres Samples zusammenfassend als sichtbar gemachtes „Identitätsmanagement“<br />

und die Weblogs als Experimentalbühnen im Umgang mit Welt. „Identitätsmanagement, weil die<br />

schriftliche und visuelle Darstellung der jeweils aktuellen ‚Persona’ einen nicht unbeträchtlichen Arbeitsaufwand<br />

erfordert, bewusst betrieben wird und Konzipieren, Verwalten, Organisieren, In-Bezug-Setzen, Koordinieren,<br />

Nachbereiten und mehr umfasst. Sichtbar gemacht deswegen, weil der Prozess des Managens im Weblog<br />

verfolgbar und nachvollziehbar ist, und zwar über die Archive, Einträge, Past Designs, Fotos und Kommentare.<br />

Das Bühnenhafte, das im Goffman’schen Sinn in all unseren sozialen Aktionen zum Ausdruck kommt (vgl.<br />

Goffman 2003), findet sich auf Schritt und Tritt“ (Reichmayr 2005, S. 12).<br />

Darüber hinaus werden Weblogs dazu genutzt, im Falle von persönlichen Problemlagen oder kritischen Lebenssituationen<br />

mit Gleichgesinnten in Kontakt zu treten um sich Mut zuzusprechen, Ratschläge zu geben, Verständnis<br />

zu zeigen – soziale Unterstützung zu gewähren und zu erhalten. Dabei wird nicht als negativ erachtet,<br />

dass sich die Gesprächspartnerinnen und -partner oftmals nicht persönlich kennen – ganz im Gegenteil, online<br />

fällt es ihnen oftmals sogar leichter, über ihre Probleme zu „sprechen“ bzw. zu schreiben (Misoch 2007, Tillmann<br />

2008b, Lindinger 2015). Gleichermaßen werden Blogs auch herangezogen, um in herausfordernden neuen<br />

Situationen wie einem Auslandssemester Kontinuität zu vermitteln und eine „Brücke nach Hause“ zu schlagen<br />

(Augustin 2015).<br />

4.2.4.2 Vlogs<br />

Bei Vlogs handelt es sich um Weblogs, die nicht textbasiert sind, gebloggt wird über Bewegtbilder. Gemeinsam<br />

haben Blogs und Vlogs, dass beide in der Regel von einer Person betrieben werden und sich durch einen persönlichen,<br />

kommentierenden und informellen Stil auszeichnen. Bei beiden steht die Selbstdarstellung im Vordergrund.<br />

Wichtig ist weiterhin die Kommentarfunktion.<br />

Wenngleich in den bisherigen repräsentativen Umfragen nur nach der Online-Video-Nutzung von Jugendlichen,<br />

also nicht nach der Vlog-Nutzung gefragt wird, so zeigt sich bereits, dass Online-Videos bei Jugendlichen aktuell<br />

zu den beliebtesten unterhaltenden Aktivitäten im Netz gehören: 81 Prozent nutzen mindestens einmal pro<br />

Woche einen Bewegtbildkanal, 53 Prozent haben auch einen eigenen Account (Medienpädagogischer Forschungsverbund<br />

Südwest 2015, S. 35), über den dann auch erst eine Kommentierung möglich ist. Auf die Nachfrage<br />

nach dem aktuell beliebtesten Internetangebot entfallen im Jahr 2014 mit 30 Prozent die meisten Stimmen<br />

auf das Videoportal „YouTube“ (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2014, S. 27), das zusammen<br />

mit dem aktuell populärsten Sozialen Netzwerk (Facebook) in der Hand eines Unternehmens ist. Im Unterschied<br />

zu den textbasierten Blogs, sind Videos und Vlogs bei Jungen prinzipiell beliebter als bei Mädchen, dies<br />

zeigt sich sowohl im Hinblick auf eine intensivere Rezeption als auch Produktion (Koch/Liebholz 2014; Me-

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