02.02.2017 Aufrufe

Kinderund

1811050

1811050

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Drucksache 18/11050 – 208 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

noch stark geschlechtshomogen strukturiert sind, spielen mit zunehmendem Alter geschlechtsheterogene Gruppierungen<br />

eine Rolle und die Paarbeziehungen werden häufiger.<br />

3.3.1 Jugendliche in formalisierten Gruppen<br />

Junge Menschen verbringen einen großen Teil ihrer Zeit mit Gleichaltrigen. Dabei nehmen formale Gruppen,<br />

wie Schulklassen oder Trainingsgruppen, einen großen Raum ein und sind häufig Ausgangspunkt für das Knüpfen<br />

intensiverer Beziehungen und damit, vor allem bei jüngeren Jugendlichen, Kristallisationspunkte freiwilliger<br />

Vergemeinschaftungsprozesse zu informellen Peergroups oder engeren Freundschaftsbeziehungen. Insofern<br />

bildet vor allem die Schule mit ihrem formalisierten Rahmen, Kinder und Jugendliche in homogenen Altersgruppen<br />

zusammenzuschließen, einen zentralen Ermöglichungs-, aber immer auch Begrenzungsraum für das<br />

Eingehen intensiverer Peerkontakte (vgl. Krüger/Grunert 2008; Deckert-Peaceman 2009) und fungiert als „Zuteilungsapparatur“<br />

für Gleichaltrigenbeziehungen (vgl. Eckert 2012, S. 10). Mit der Einführung der Ganztagsschule<br />

nimmt diese Bedeutung noch einmal zu. Damit geht auch einher, dass Beziehungen zu Gleichaltrigen<br />

zumindest im frühen Jugendalter aufgrund der sozial selektiven Verteilung der Schüler und Schülerinnen auf<br />

unterschiedliche Schulformen (vgl. Kap. 2) von einer sozialen Homogenität gekennzeichnet sind, die in<br />

Deutschland auf einem relativ hohen Niveau angesiedelt ist (vgl. Baumert u. a. 2006). Homologisierung von<br />

Gleichaltrigenbeziehungen wird zwar stark über strukturelle Aspekte, wie eben schulische Selektion sowie residenzielle<br />

Segregationsprozesse befördert, sie gründet aber darüber hinaus auch in peerbezogenen Praktiken, wie<br />

wechselseitigem Verstehen, harmonierenden Kommunikationsstrukturen oder geteilten Ansichten, die eng mit<br />

dem Herkunftsmilieu verbunden sind (vgl. Steinhoff/Grundmann 2015), sodass sich in Gleichaltrigenbeziehungen<br />

insbesondere im Schulalter der Einfluss des Herkunftsmilieus häufig noch verstärkt.<br />

Zu den strukturellen Dimensionen gehört ebenso der Zugang zu vereinsbezogenen, sportlichen oder musischkulturellen<br />

Aktivitäten, die auch stärker formalisierte Möglichkeitsräume der Peervergemeinschaftung darstellen,<br />

in denen Jugendliche aufgrund gemeinsamer Interessenlagen zusammenkommen. Formalisierte außerschulische<br />

Gruppen stehen zwar zumeist unter einem spezifischen thematischen Fokus, bei der Entscheidung für<br />

diese spielen jedoch häufig soziale Motive eine zentrale Rolle oder begleiten das thematische Interesse (vgl.<br />

Grgic/Züchner 2013; Gensicke/Geiss 2010). Während im Kindesalter zumeist die Eltern eine Aufnahme in außerschulische<br />

organisierte Aktivitäten initiieren, sind es bei Jugendlichen in hohem Maße die Freunde, die sie<br />

zum Mitmachen oder auch zum Weitermachen bewegen. Peers sind damit sowohl für die initiale Einbindung als<br />

auch für den Verbleib in – oder das Ausscheiden aus – formalisierten außerschulischen Gruppen, etwa im Rahmen<br />

von Vereinen oder Verbänden, von zentraler Bedeutung. Jugendliche suchen hier vor allem Möglichkeiten,<br />

in Gemeinschaft ihren Neigungen nachzugehen, haben aber gleichzeitig auch ein Interesse an der Erweiterung<br />

ihrer eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen (vgl. Grgic/Züchner 2013; Düx u. a. 2009; Gensicke/Geiss 2010;<br />

Messmer/Brea-Steffen 2015). Organisiert Sport treiben, Musik machen oder im Verband aktiv sein steht damit<br />

häufig im Zeichen von Peeraktivitäten und bietet, je nach thematischer Ausrichtung, in unterschiedlichem Maße<br />

Möglichkeitsräume, die sozialen, aber auch personalen sowie fachlich-sachlichen und kulturellen Erfahrungen<br />

zu erweitern (vgl. hierzu auch Kap. 6).<br />

Jedoch ist auch eine Reihe von Jugendlichen nicht in diese institutionalisierten Freizeitwelten integriert. Auch<br />

wenn insbesondere im Vereinssport stärkere Tendenzen der sozialen Durchmischung festgestellt werden können<br />

(vgl. Krüger u. a. 2012), sind Jugendliche aus ökonomisch schwächeren Milieus hier und noch stärker bei musikalisch-kulturellen<br />

Aktivitäten, die in non-formalen Settings gemeinsam mit anderen ausgeübt werden, deutlich<br />

seltener involviert (vgl. Kap. 2; Grgic/Züchner 2013; Leven u. a. 2010, S. 99f.). Gleiches gilt nach Harring<br />

(2011) für migrantische Jugendliche insbesondere mit türkischem Migrationshintergrund. Im Hinblick auf<br />

Sportvereine sind es vor allem die türkischen Mädchen, die deutlich seltener in sportvereinsbezogene formalisierte<br />

Gruppen integriert sind und hier einen peerbezogenen Erfahrungsraum finden (vgl. ausführlich Burrmann<br />

u. a. 2015).<br />

Insbesondere für Jugendliche in sozialen und ökonomischen Risikolagen und/oder bestimmte Gruppen migrantischer<br />

Jugendlicher ist damit zumeist die Schulklasse die einzige formalisierte Gruppe, in die sie eingebunden<br />

sind, sodass ihnen solche außerschulischen Möglichkeitsräume der sozialen Teilhabe und Peereinbindung mit<br />

ihren förderlichen Potenzialen als erweiterte soziale Netzwerke oftmals verschlossen bleiben.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!