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Drucksache 18/11050 – 284 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

einem Webauftritt im Regelfall gleich mehrere YouTube-Channels, Reddit-Foren und Twitch-Kanäle 48 , über die<br />

sie anderen Menschen live beim Spielen zusehen (Smith u. a. 2013). Bemerkenswert ist, dass die Produktionsfirmen<br />

die interaktiven Medienformate nicht nur zu Marketing-Zwecken nutzen, sondern aktiv den Austausch<br />

mit den Spielenden suchen. Sie fördern z. B. gezielt jugendkulturelle Aktivitäten wie Fast-Drawing-Videos auf<br />

Videokanälen, Comic-Strips, Serien zu Computerspielen, Game-Zines und promoten aktiv von Fans selbst erstellte<br />

Produkte in den Foren ihrer Websites. Auch zeigen sie sich an den Debatten der Fans, deren Strategien<br />

und Problemen im digitalen Spiel interessiert und fordern Spielende aktiv auf, an Tests teilzunehmen, verschiedene<br />

Modifikationen auszuprobieren und ästhetische Anregungen zu den „Skins“ (Aussehen der Spielfiguren)<br />

zu geben. Teilweise werden auch zugrunde liegende Codes von Spielen veröffentlicht, um die Spielenden zu<br />

ermutigen, selbst Verbesserungen vorzunehmen und Spielinhalte zu modifizieren (vgl. Abs. 4.2.5). Einige der<br />

größten Titel der Branche gehen z. B. auch auf ehemalige Projekte von Spielenden zurück („Counter Strike“,<br />

„DotA“).<br />

Parallel dazu hat sich eine große Fan-Fiktion-Szene herausgebildet, die auf Englisch und Deutsch auch (homo-)<br />

erotische Literatur ins Internet stellt (vgl. Abs. 4.2.3.). Die Spiel-Szene gehört weiterhin zu den Szenen, die sich<br />

recht bald schon den Videokanälen zugewandt hat. So ist der mit Anstand am häufigsten abonnierte Video-<br />

Kanal der Welt z. B. ein Gaming-Kanal (Pwedipie: über 44 Millionen Abos, im Vergleich dazu der deutsche<br />

Kanal Gronkh: 4.133.258 Abos, Stand: Mai 2016). Auch im deutschen YouTube sind viele Channels mit Millionen-Abos<br />

aus Let`s Play-Videos, Walkthroughs, Tipps oder Berichten über Gaming hervorgegangen. Innerhalb<br />

der Spiel-Szene haben sich diverse Online-Communities etabliert, darunter befinden sich große kommerzielle<br />

als auch kleinere Grassroot-Communities sowie Zusammenschlüsse von in der Spielekultur marginalisierten<br />

Gruppen wie z. B. Frauen und LGBTQ (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer).<br />

Je nach Interesse, Ressourcen, Vorerfahrungen und Kompetenzen, wenden sich die Spielenden unterschiedlichen<br />

Genres und Aktivitäten zu. Deutlich wird allerdings auch, dass sich im Zuge der technologischen Entwicklungen<br />

auch die Spielekultur zunehmend ausdifferenziert, professionalisiert und kommerzialisiert hat. Digitale<br />

Spieler und Spielerinnen organisieren sich z. B. über das Internet in Clans, Gilden und Teams, die LAN-Partys<br />

etablieren sich immer mehr als Orte kompetitiven Wettbewerbs und LAN-Partys werden von Unternehmen zu<br />

„Games Festivals“ ausgebaut. Zudem stellt der E-Sport für immer mehr Spielende ein lukratives Berufsfeld dar,<br />

über das sich einige Jugendliche auch ihre Ausbildung finanzieren.<br />

Auffällig ist, dass die Zugangsbedingungen zu den Spielen recht hochschwellig sind, insbesondere neue digitale<br />

Spiele stellen im Hinblick auf das notwendige Wissen und Können hohe Ansprüche an die Spielenden und erfordern<br />

oftmals ein kostspieliges Aufrüsten der Computer. Auch finden sich Hinweise dafür, dass sich der soziokulturelle<br />

Kontext eher einseitig darstellt. So geben in der aktuellen Shell-Studie (2015, S. 140) junge Männer<br />

deutlich häufiger „Spielen/Gamen“ als Aktivität im Internet an als junge Frauen: 34 Prozent spielen täglich<br />

(junge Frauen: 13 %), 28 Prozent wöchentlich (junge Frauen: 20 %) bzw. nur neun Prozent spielen gar nicht<br />

(junge Frauen: 32 %). Die Gamer finden sich laut der Shell-Studie vor allem in der so bezeichneten Gruppe der<br />

„Medienkonsumenten“ wieder, in der sich häufiger junge Männer (12 bis 17 Jahre), Schüler und in der Mehrzahl<br />

„Nicht-Gymnasiasten“ befinden. Die Gruppe zeichnet sich dadurch aus, dass sie mit ihrer wöchentlichen<br />

Internetnutzung deutlich über dem Durchschnitt liegt (ebd., S. 148). Anhand dieser Ergebnisse lässt sich sicherlich<br />

noch nicht der typische „Gamer“ charakterisieren, vielmehr zeigt sich, dass Bildungs- und Geschlechterbarrieren<br />

weiterhin den Zugang insbesondere zur Szene erschweren. Für den professionellen E-Sport lässt sich im<br />

Hinblick auf das Geschlechterverhältnis z. B. ein eindeutiges Ungleichgewicht zwischen den jungen Frauen und<br />

jungen Männern nachweisen (Taylor 2012).<br />

Problematisiert werden in jüngster Zeit vor allem die sexistischen Anfeindungen von (jungen) Frauen in der<br />

Szene – öffentliche Aufmerksamkeit erlangt hat in diesem Kontext der Begriff „Gamer-Gate“. Zurückgeführt<br />

werden die Anfeindungen u. a. darauf, dass die Identität von digital Spielenden sich v. a. an der hegemonialen<br />

Männlichkeit (Connell 1999) orientiert. Wer davon abweicht, muss mit Ausblendungen oder Anfeindungen<br />

rechnen (Groen/Tillmann 2016). Betroffene von „Hate Speech“ (Hass-Reden) oder Opfer von „Doxing“ (Veröffentlichung<br />

privater Informationen) finden aktuell wenig Unterstützung – weder sozial noch technisch, und<br />

greifen aus diesem Grund teils auf defensive individuelle Lösungen zurück. Dabei handelt es sich in der Regel<br />

um Vermeidungsstrategien: Sie ziehen sich aus dem digitalen Spieleraum zurück, wechseln den Server, nutzen<br />

48<br />

Bei Twitch handelt es sich um ein Live-Streaming-Videoportal, das sich auf die Übertragung von digitalen Spielen konzentriert.

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