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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103 – Drucksache 18/11050<br />

Gleichzeitig erscheint bisher weder in Bezug auf das Bildungswesen noch die Sozialgesetzgebung und die allgemeine<br />

soziale politische Teilhabe eine Kultur etabliert zu sein, in der junge Menschen selbst ihre Rechte<br />

durchsetzen und einklagen können. Bisher haben „weder die konzeptionelle und methodische Praxis noch die<br />

Haltungen der Fachkräfte mit den normativen Erwartungen Schritt halten können, die an eine dialogische, kinderrechteorientierte<br />

Pädagogik der Einrichtungen des Erziehungs‐ und Bildungswesens gerichtet werden […].<br />

Insofern muss davon ausgegangen werden, dass es noch erhebliche Anstrengungen kosten wird, bis Beteiligungs‐<br />

und Beschwerdemöglichkeiten als normale und bedeutsame Eckpfeiler guter Erziehung und Bildung im<br />

öffentlichen Raum umgesetzt werden. Besonders der Aufbau organisationsbezogener und externer Ombudschaften<br />

steht in der Kinder‐ und Jugendhilfe in Deutschland noch am Anfang, und es lohnt sich deshalb, auch<br />

mit einem Seitenblick auf die internationale Diskussion, zu überlegen, wie solche Systeme aufgebaut und konzeptionell<br />

gestaltet werden können, um Doppelstrukturen möglichst zu vermeiden und Akzeptanz bei den Fachkräften<br />

zu erreichen“ (Hansbauer/Stork 2017, S. 26).<br />

In einer Bilanzierung der rechtlichen Kodifizierung des Jugendalters kann somit festgehalten werden, dass<br />

– erstens von einer eigenständigen rechtlichen Kodifizierung des Jugendalters nicht gesprochen werden<br />

kann. Das Jugendalter wird in unterschiedlichen Rechtskreisen reguliert – mit einem deutlichen Schwerpunkt<br />

in der Sozialgesetzgebung. Doch auch hier sind unterschiedliche Bestimmungen zu finden, was als<br />

Jugend zu verstehen ist. Zudem existieren in den einzelnen Rechtsbereichen keine sogenannten Spiegelungen,<br />

sodass bei einem Zuständigkeitswechsel – z. B. zwischen Sozialen Diensten – Beteiligungsrechte<br />

fortgeführt und Maßnahmen sowie Angebote fortgesetzt werden könnten. Insgesamt drückt sich die Unbestimmtheit<br />

des Jugendalters in Bezug auf ihren Anfang und ihr Ende auch hier aus, wobei tendenziell in<br />

den vergangenen Jahren häufiger in den Gesetzen vom Jugendalter, von Jugendlichen und von Jugend gesprochen<br />

wird, was als Reaktion auf die zunehmende Diskussion um Jugend als eigenständiger Lebensphase<br />

sowie auf die Entgrenzung von Jugend verstanden werden kann.<br />

– Zweitens sind rechtliche Regulierungen im Bildungswesen oder in der Sozial- und Verteidigungspolitik<br />

(z. B. das Aussetzen der Wehrpflicht) zu beobachten, die umfassende Konsequenzen für die Verselbstständigung<br />

und auch Qualifizierung von Jugendlichen haben, aber jugendpolitisch kaum bis gar nicht reflektiert<br />

wurden. Gegenwärtig zeigt sich dies auch in den unterschiedlichen rechtlichen Regulationen zum<br />

Asylverfahrensgesetz sowie in den rechtlichen Regulationen von Migration. Hier fehlt in den diesbezüglichen<br />

Diskussionen eine jugendpolitische Auseinandersetzung. Ein Schritt in die richtige Richtung sind hier<br />

sicherlich die Entwürfe zur Einführung eines Jugendchecks in Gesetzgebungsverfahren (vgl. Koordinierungsstelle<br />

„Handeln für eine jugendgerechte Gesellschaft“ 2015).<br />

– Drittens steht eine Diskussion über die Rechte von Jugendlichen noch ganz am Anfang. Sie steckt noch als<br />

Ableger der Kinderrechtsdiskussion – um ein Wortspiel zu bemühen – in den „Kinderschuhen“. Jugendliche<br />

haben in den unterschiedlichen Institutionalisierungskontexten unterschiedliche Rechte, die ihnen aber<br />

kaum bekannt sein können. Eine eigenständige Diskussion über die Rechte von jungen Menschen zwischen<br />

zwölf und 27 Jahren ist noch nicht zu erkennen. Beteiligungs- und Teilhaberechte erscheinen kaum transparent<br />

gebündelt und sind für Jugendliche und junge Erwachsene nur schwer nachvollziehbar.<br />

Festzuhalten bleibt, dass die Figur von Jugend als „eigenständiger Lebensphase“ bzw. als „Lebensalter Jugend“,<br />

wie sie in der Tradition der Jugendberichte steht, rechtlich bislang nicht verankert ist und zu Inkohärenzen führt.<br />

Diese Erkenntnis ist nicht neu, schon im 14. Kinder- und Jugendbericht (vgl. Deutscher Bundestag 2013,<br />

S. 380f.) wurde ein „eigenständiges Kinder- und Jugendgesetzbuch“ gefordert. Für das Jugendalter erscheint es<br />

dringend geboten, sich zumindest über Spiegelungen in den Rechtsbereichen und über eine Metastruktur zu<br />

verständigen, in der die Paradoxien und Friktionen zwischen den Rechtsbereichen reguliert werden. Zudem ist<br />

über ein Rechtskompendium nachzudenken, in und mit dem sich Jugendliche über ihre Rechte und Pflichten<br />

nicht nur informieren können, sondern in dem auch verdeutlicht wird, wie diese Rechte bisher empirisch durchgesetzt<br />

werden und zukünftig durchgesetzt werden können. Denn nach wie vor bleibt die Frage ungeklärt, ob<br />

und wie Jugendliche zu ihrem Recht kommen können, eine Jugend zu erleben, in der die Ansprüche, die sie<br />

haben dürfen, und die Forderungen, die an sie gerichtet sind, transparent und nachvollziehbar (also im besten<br />

Sinn: aufgeklärt) erläutert sind.

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