02.02.2017 Aufrufe

Kinderund

1811050

1811050

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Drucksache 18/11050 – 222 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

gere Jugendliche ist es in einer Partnerschaft sehr zentral, täglich Kontakt zu haben und sich mit dem Anderen<br />

auszutauschen. Die neuen Medien spielen dabei eine bedeutende Rolle und ermöglichen eine häufige Verbindung,<br />

um sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten und die Beziehung zu pflegen (Matthiesen 2013). Vor<br />

allem jüngere Jugendliche treffen sich noch eher selten als Paar allein, sondern sind zunächst im Kreis der<br />

Peergroup miteinander in Kontakt. Erst nach und nach wird es für die Jugendlichen wichtig, sich auch intim,<br />

außerhalb der Clique zu begegnen und stärker eine Liebesbeziehung zu pflegen.<br />

Zeitreihenuntersuchungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung können in diesem Zusammenhang<br />

zeigen, dass sich die ersten sexuellen Aktivitäten deutlich vorverlagert haben: Waren es im Jahr 1980 noch<br />

47 Prozent der 17-Jährigen und nur zwei Prozent der 14-Jährigen, die bereits ihr „erstes Mal“ erlebt haben, traf<br />

dies im Jahr 2009 auf zwei Drittel der 17-Jährigen und fünf Prozent der 14-Jährigen zu. Jungen werden dabei<br />

etwa zwei bis drei Jahre später sexuell aktiv als Mädchen (BZgA 2015). Unterschiede zeigen sich auch bei<br />

Mädchen mit Migrationshintergrund 33 . Erstere haben mit 18 Jahren nur zu 42 Prozent bereits Erfahrungen mit<br />

Geschlechtsverkehr gesammelt, während dies auf 82 Prozent der Mädchen mit deutscher Herkunft zutrifft.<br />

Demgegenüber weisen 18-jährige Jungen mit Migrationshintergrund im Vergleich zu den Jungen deutscher<br />

Herkunft mit 63 bzw. 69 Prozent in Sachen erster Geschlechtsverkehr ähnliche Werte auf (Heßling/Bode 2015,<br />

S. 109). Eine Zurückhaltung bei sexuellen Aktivitäten wird von den Jugendlichen vor allem mit dem Fehlen des<br />

richtigen Partners begründet, sodass für die Mehrheit Sexualität und Partnerschaft klar zusammengehören. Auch<br />

wenn Sexualität für die Mehrzahl der Jugendlichen mit einer festen Partnerschaft in Verbindung steht, finden<br />

gerade frühe sexuelle Kontakte oft auch mit Zufallspartnern statt. Hier sind es vor allem die Jungen mit Migrationshintergrund,<br />

die zu 58 Prozent das erste Mal nicht mit einer festen Partnerin erlebt haben. Die Jungen deutscher<br />

Herkunft gaben dies nur zu 39 Prozent an und die Mädchen insgesamt zu ca. 28 Prozent. Insgesamt hat<br />

aber der Anteil derjenigen Jugendlichen, die ihren ersten Geschlechtsverkehr mit einem festen Partner oder<br />

einer festen Partnerin erlebt haben im Vergleich zu den 1980er-Jahren (ca. 40 %) deutlich zugenommen und<br />

liegt aktuell bei ca. 60 % (Bode/Heßling 2015, S. 129ff.).<br />

Bei den Mädchen mit Migrationshintergrund sind es vor allem türkische Mädchen und religiöse Musliminnen,<br />

die bei sexuellen Kontakten generell wie auch beim ersten Geschlechtsverkehr größere Zurückhaltung üben. Als<br />

Motiv für ihre sexuelle Zurückhaltung nennen sie vor allem kulturelle Regeln, die Angst vor den Eltern oder sie<br />

geben an, dafür noch nicht das richtige Alter zu haben (ebd.).<br />

Starke religiöse Bindung scheint jedoch bei Mädchen allgemein ein Faktor zu sein, der Zurückhaltung in Sachen<br />

Sexualität mit bedingt, sodass auch katholische oder protestantische Mädchen bzw. junge Frauen, die sich ihrer<br />

Religion stark verbunden fühlen, doppelt so oft keine Beziehung zum anderen Geschlecht aufgenommen haben<br />

wie diejenigen mit nur loser Religionsbindung (ebd., S. 95). Ebenso wird eine Schichtabhängigkeit früher sexueller<br />

Erfahrungen im Jugendalter betont, da Jugendliche aus kürzeren Bildungsgängen hier stärker vertreten sind<br />

als Jugendliche aus längeren Bildungsgängen, was sich gleichzeitig im Rahmen bildungsspezifisch unterschiedlich<br />

lang andauernder Jugendphasen einordnen lässt. Mit dem früheren Erwachsenwerden(müssen) aufgrund<br />

kürzerer Ausbildungszeiten für Jugendliche in Haupt- und Realschulzweigen gehen für diese offenbar auch<br />

frühere sexuelle Aktivitäten einher (Klein 2017). Zusammenhänge zeigen sich auch zu früher körperlicher Reife,<br />

zu Belastungen in der Kindheit, z. B. der Trennung oder dem Tod der Eltern, wie auch dem Kontakt zu<br />

Gleichaltrigen, die abweichendes Verhalten (etwa Alkohol- oder Drogenkonsum) tolerieren (vgl. Wendt/Walper<br />

2015).<br />

Jugendliche stehen in Sachen Sexualität heute unter einer größeren Eigenverantwortung als frühere Jugendgenerationen,<br />

sind doch die elterlichen Vorstellungen für die Mehrheit lockerer geworden und von weitaus weniger<br />

Verboten begleitet. Ausnahmen zeigen sich teils bei Kindern migrierter Eltern, in denen vor allem die Mädchen<br />

stärker im Hinblick auf ihre Kontakte zu „fremden Jungen“ kontrolliert werden (Moradzadeh 2011, S. 186).<br />

Dass Jugendliche bzgl. ihrer eigenen Sexualität Verantwortung übernehmen, zeigen die hohen Zahlen derjenigen<br />

14- bis 17-jährigen Jugendlichen, die bei ihrem ersten Mal verhütet haben (92 % der deutschen und 98 %<br />

der Mädchen mit Migrationshintergrund, bei den Jungen 94 % bzw. 90 %). Insbesondere bei den Jungen lässt<br />

sich im Zeitverlauf eine deutliche Zunahme dieser Verantwortungsübernahme feststellen, waren es im Jahr 2005<br />

nur 85 Prozent der deutschen und lediglich 66 Prozent der Jungen mit Migrationshintergrund, die beim ersten<br />

Mal verhütet haben.<br />

33<br />

Jugendliche mit Migrationshintergrund wurden hier folgendermaßen definiert: „Entweder der/die Jugendliche/junge Erwachsene selbst<br />

besitzt eine nichtdeutsche Staatsangehörigkeit oder mindestens eines der Elternteile hatte bei der (eigenen) Geburt eine nichtdeutsche Staatsangehörigkeit“<br />

(Bode/Heßling 2015, S. 214). Alle anderen Befragten wurden als „Jugendliche deutscher Herkunft“ kategorisiert.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!