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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 287 – Drucksache 18/11050<br />

schen 13 und 28 Jahre alt, und es handelt sich dabei vermehrt um junge Frauen (Kreß 2015, S. 4). Eine Analyse<br />

der Profilangaben des englischsprachigen Fanfiktionportals Fanfictionally.org weist 78 Prozent der Autoren und<br />

Autorinnen als jünger als 21 Jahre aus (Ortner 2008).<br />

Neben Fanfiktion finden sich weitere Beispiele dafür, wie Fans das Internet nutzen, um sich weltweit über Aspekte<br />

ihrer Fanwelten auszutauschen, sich produktiv in die Netzwerkkultur einzubringen oder auch direkt mit<br />

den Stars in Kontakt zu treten. Dabei spielt die schnelle und synchrone Kommunikation bzw. Vernetzung eine<br />

bedeutsame Rolle – und unterstützt die kollaborative Arbeit. Wie schnell Fans zusammenarbeiten können, zeigt<br />

z. B. die Übersetzung von Harry Potter: „gerade mal 45 Stunden und 22 Minuten nach Verkaufsstart des neuen<br />

Bandes ‚Harry Potter and the Half-Blood Prince’ stand am 16.07.2005 eine vollständige deutsche Übersetzung<br />

im Internet. Hier beeindruckt nicht nur die Geschwindigkeit, sondern vor allem die Kooperations- und die Koordinierungsleistung<br />

via Internet: 189 Übersetzer hatten einen genauen Zeitplan, nach dem sie ihre Übersetzungen<br />

an 24 Kapitelbetreuer abliefern mussten. Diese fügten dann die einzelnen Teile zu einem Gesamtwerk zusammen“<br />

(Beyer 2006, S. 121). Das Internet bietet für solche kollaborativen Arbeiten eine geeignete Plattform.<br />

Ein Blick in die Manga-Szene macht deutlich, wie vielfältig kollaboriert wird (Zaremba 2014): Bei sogenannten<br />

Collabs liefert ein Fan z. B. eine Vorlage für einen Charakter und fragt an, wer an einer Weiterverarbeitung<br />

interessiert ist. Weitere Formen der Zusammenarbeit werden über Live-Gemeinschaftszeichnungen möglich<br />

oder über Linearts, also fertig getuschte Zeichnungen, die noch koloriert werden müssen. Darüber hinaus veröffentlichen<br />

Fans auch Tutorials, in denen sie in grundlegende und weiterführende Zeichentechniken einführen,<br />

auch schreiben sie Wettbewerbe aus. Neben Möglichkeiten kollaborativen Arbeitens bietet das Internet für Fans<br />

auch vielfältige Zugänge zu ihren Lieblingsfiguren und -geschichten: News, Interviews, Hintergrundinformationen,<br />

Fanartikel, Wallpapers, Computer Decorations, Musik, Videos usw.<br />

Eine besondere Form der Auseinandersetzung mit Serien, Filmen, Comics, Bücher usw. stellt, wie bereits erwähnt,<br />

Fanfiktion (Fanfics) dar – ein Phänomen, das durch das Internet eine zunehmend größere Verbreitung<br />

gefunden hat. Fanfiktion zeigt, wie Fans massenmediale Produkte in andere Kontexte fügen und in ihrer Bedeutung<br />

transformieren – und dabei auch persönlich relevante Themen verhandeln und bearbeiten. Die Portale, auf<br />

denen Fanfiktions veröffentlicht werden, sind prinzipiell leicht zugänglich, selbst nicht registrierte Nutzer und<br />

Nutzerinnen haben direkten Zugriff auf die Erzählungen. Die Geschichten werden in der Regel Kapitel für Kapitel<br />

online gestellt, und teils auch gemeinsam in verteilten Rollen erarbeitet. Etabliert hat sich ein eigenes Glossar,<br />

in dem viele oftmals ursprünglich englischsprachige Begriffe der Szene erläutert werden (Beyer 2006,<br />

S. 126f.). Durch Kommentierungen und das Verfassen von Reviews haben die Leser und Leserinnen beim<br />

Schreiben die Möglichkeit, den Plot mitzugestalten. Es gilt offenbar inzwischen auch als unhöflich, wenn Geschichten<br />

gelesen, aber nicht (positiv) kommentiert werden (ebd.). Jenkins (1992) unterscheidet insgesamt zwischen<br />

zehn Arten der Überarbeitung, die sich durch eine je spezifische Auseinandersetzung mit den Ursprungstexten<br />

auszeichnen.<br />

Mutzl (2006, S. 66ff.) bezeichnet Fanfiktion als eine der intensivsten Arten von Fanerleben. In ihrer Studie über<br />

Internet-Fangemeinschaften bzw. Communities zur Fernsehserie „Charmed“, weist sie drei unterschiedliche<br />

Formen bzw. Ebenen der Beteiligung aus: Fanspace (read), Fanplace (play) und Fanstage (live). Diese zeichnen<br />

sich – in dieser Reihenfolge – durch eine zunehmend intensivere Auseinandersetzung mit den Serien und Serienprotagonisten<br />

und Protagonistinnen aus. Die offizielle Website für Fans, die von dem Filmstudio betreut<br />

wurde, stellt z. B. nur begrenzte Teilnahmemöglichkeiten zur Verfügung (Fanspace), während die Websites, die<br />

von Fans selbst gestaltet wurden, in der Mehrzahl den Ebenen Fanplace und Fanstage zugeordnet werden konnten.<br />

Hier werden eigene Produkte bedeutsam (Fanplace) und Rollenspiele, Fanart und Fanfiction realisiert (Fanstage)<br />

(Mutzl 2006).<br />

Weitere Studien weisen darauf hin, dass es sich bei Fanfiktion um eine Bewältigungspraxis handelt. Fans nutzen<br />

das Schreiben, um von sich zu erzählen bzw. sich in Geschichten und Charaktere hineinzubegeben (Ortner<br />

2008, S. 360f.; Kreß 2015). Geschätzt wird Fanfiktion auch, da es die Möglichkeit eröffnet, auf Menschen mit<br />

ähnlich großer Begeisterung zu treffen. Die Erleichterung von Fans ist umso größer, je weniger enge Familienangehörige<br />

und Freunde ihre Vorliebe teilen (Pullen 2000; Baym 2000).

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