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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 399 – Drucksache 18/11050<br />

Die zitierten Studien (vgl. auch Wahler u. a. 2004; für die Freiwilligendienste zusammenfassend Rauschenbach<br />

2015a) 94 belegen einerseits, dass die Bildungsforschung im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit noch am Anfang<br />

steht. Andererseits dokumentieren die erwähnten Studien, dass im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit<br />

vielfältige Lern- und Bildungsprozesse stattfinden, die offenbar auf ganz unterschiedlichen Ebenen angesiedelt<br />

sind und für die Jugendlichen nachhaltige Lern- und Bildungserfahrungen bereithalten. Nicht zuletzt wird z. B.<br />

auch in und mit Medien gelernt (vgl. Tully 1994/2004; Otto/Kutscher 2004; Tillmann 2008a).<br />

Damit kann es auch vor dem Hintergrund der Ausführungen in Kapitel 5 nicht darum gehen, Schule und Kinder-<br />

und Jugendarbeit in ihrer Bildungsbedeutsamkeit konkurrierend gegenüberzustellen. Interessanter sind<br />

vielmehr Fragen danach, durch welche sozialen, strukturellen und auch materiellen Konstitutionsbedingungen<br />

sich Jugendlichen in den verschiedenen Settings Möglichkeitsräume für Lern- und Bildungsprozessen eröffnen<br />

und wie sich diese unterscheiden und darin wiederum ggf. ein Zusammenspiel bilden. Denn weder die Schule<br />

ist ausschließlich ein Ort kognitiven Wissenserwerbs im Rahmen standardisierter und formalisierter Lehr-<br />

Lernprozesse, noch ist die Kinder- und Jugendarbeit lediglich Ort der Aneignung personaler und sozialer Kompetenzen<br />

über beiläufiges und nicht-formalisiertes Lernen (Grunert 2016). Vielmehr bietet auch die Kinder- und<br />

Jugendarbeit vielfältige Gelegenheitsstrukturen für Lern- und Bildungsprozesse im Jugendalter, die die Bearbeitung<br />

der drei Kernherausforderungen Selbstpositionierung, Verselbstständigung und Qualifikation ermöglichen.<br />

Diese bedürfen jedoch noch eingehender empirischer Untersuchungen.<br />

6.5 Wo steht die Kinder- und Jugendarbeit? Eine Zwischenbilanz<br />

6.5.1 Spannungsfelder<br />

Die empirischen Beschreibungen der Kinder- und Jugendarbeit haben gezeigt, dass sie ein vielfältiges und an<br />

verschiedenen Stellen auch ein in Veränderung begriffenes Feld ist. Zugleich sind die Schwierigkeiten deutlich<br />

geworden, Kinder- und Jugendarbeit empirisch zu umreißen und damit ein annähernd umfassendes Bild über<br />

ihre Strukturen, Angebote und Inanspruchnahmen zu generieren. Verantwortlich dafür sind nicht nur die großen<br />

regionalen Unterschiede, die jeweiligen lokalen Jugendarbeitslandschaften, deren Angebote und Aktivitäten<br />

sowie deren Entwicklungen erheblich von bundesweiten Trends abweichen können; ebenso führen veränderte<br />

Lebenslagen und Bedingungen des Aufwachsens (vgl. Kap. 1, 2 und 3) sowie Veränderungen im Feld der Kinder-<br />

und Jugendarbeit dazu, dass sich die Kinder- und Jugendarbeit in einer komplexen Gemengelage heterogener<br />

Erwartungen, Ansprüche, Bedürfnisse und eigener fachlicher Überzeugungen immer wieder neu justieren<br />

muss:<br />

– Aus Sicht der Jugendlichen ist dabei vor allem die gute Erreichbarkeit und Zugänglichkeit nicht kommerzialisierter<br />

Orte, an denen sie ihren eigenen Interessen nachgehen können, Gemeinschaft unter Gleichaltrigen<br />

herstellen können, Unterstützung finden und ggf. selbst Verantwortung wahrnehmen können, entscheidend.<br />

– Aus Sicht der politischen und administrativen Verantwortlichen steht im Vordergrund, wie gesetzliche und<br />

politische Vorgaben eingehalten und mit den Interessen Jugendlicher zusammengebracht werden; aber<br />

auch, wie (unterschiedliche) gesellschaftliche Aufträge auf der Basis der lokalen finanziellen Möglichkeiten<br />

umgesetzt werden können.<br />

– Verbände, Einrichtungen und Träger der Kinder- und Jugendarbeit haben ein Interesse, ihre weltanschauliche<br />

und verbandliche Ausrichtung zu wahren und entsprechende inhaltliche Angebote zu machen, ihr wirtschaftliches<br />

Risiko kalkulierbar zu halten und ihrer Verantwortung, z. B. ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,<br />

aber auch den Jugendlichen gegenüber, nachzukommen.<br />

– Schließlich sind – bisweilen auch quer oder gar im Widerspruch zu diesen Interessen – in sich vielschichtige<br />

gesellschaftliche Entwicklungen zu nennen, wie der demografische Wandel, die Mediatisierung und zunehmende<br />

kommunikative Verdichtung der Alltagswelten, der Ausbau der Ganztagsschule, die gesell-<br />

94<br />

In Bezug auf die Jugendfreiwilligendienste verdeutlicht Rauschenbach (2015) u. a. Kennzeichen des Lernens in Jugendfreiwilligendiensten<br />

im Kontrast zum schulischen Lernen (z. B. Ernsthaftigkeit statt Künstlichkeit, Kooperation statt Selektion). Thematisiert werden in Bezug<br />

auf die zusammengetragenen empirischen Befunde zum Lernen in Freiwilligendiensten auch die diesbezüglich existierenden Abgrenzungsschwierigkeiten<br />

zu anderen Lebensbereichen und die Frage der Belastbarkeit von Selbsteinschätzungen hinsichtlich der eigenen Lernerfahrungen.

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