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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 300 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

sprachgebundenen Nutzung von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern von Frauen mit ehemals sowjetischem<br />

und jugoslawischem sowie griechischem, italienischem und türkischem Migrationshintergrund, wurde ebenfalls<br />

deutlich, dass auch hier insbesondere die 15- bis 21-jährigen jungen Frauen eine größere Affinität zum gedruckten<br />

Wort haben. Deutlich wird ebenfalls, dass auch bei Jugendlichen mit Migrationshintergründen der Bildungshintergrund<br />

Einfluss nimmt, wie eine Schweizer Studie mit Zwölf bis 16-Jährigen zur Printmedienmediennutzung<br />

von Jugendlichen zeigte, wonach Jugendliche aus tendenziell ressourcenstärkeren Elternhäusern<br />

auch hier auffallend häufiger lesen (Bonfadelli 2010, S. 261). Auch die Studie „Lesen in Deutschland 2008“<br />

kommt zu dem Ergebnis, dass vor allem der Bildungsgrad und die Lesesozialisation in der Familie, nicht jedoch<br />

der Migrationshintergrund entscheidend für das Leseverhalten ist.<br />

Insgesamt lässt sich damit eine leichte Tendenz erkennen, dass Gymnasiasten und Gymnasiastinnen einen etwas<br />

besseren Zugang zu Medien haben, die eine größere Optionenvielfalt in der Nutzung bieten, als Haupt- und<br />

Realschüler und Schülerinnen. Letztere zeigen eine stärkere Affinität zur Bewegtbildkommunikation (digitales<br />

Spielen, Fernsehen) und deutlich weniger Interesse am Lesen von Büchern – wodurch ihnen der Anschluss an<br />

die Bildungsinstitution Schule erschwert wird.<br />

In den genannten Studien wurde bereits deutlich, dass der Migrationshintergrund allein keinen hinreichenden<br />

Erklärungsgrund für ein differentes Medienverhalten liefert. Auch anfängliche Bedenken, dass die Medienkommunikation<br />

zur Segregation beiträgt, konnten inzwischen ausgeräumt werden. Alter, Geschlecht, formaler<br />

Bildungshintergrund und sozio-ökonomischer Status haben bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund in ähnlicher<br />

Weise Einfluss auf die Mediennutzung wie bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund (Heft u. a.<br />

2010; Simon/Neuwöhner 2011, S. 466ff.). Eher qualitativ orientierte Studien, die sich mit der (Satelliten-) Fernsehnutzung<br />

von Menschen mit Migrationshintergrund (z. B. Gillespie 1995; Robins 2004), mit der Nutzung<br />

sogenannter „Ethnoportale“ im Internet (Hugger 2009), der kommunikativen Konnektivität von Menschen mit<br />

Migrationshintergrund (Hepp u. a. 2011) oder der Medienkommunikation in transnationalen Familien (Greschke<br />

2015) auseinandergesetzt haben, machen deutlich, dass Medien von Jugendlichen mit Migrationshintergründen<br />

sowohl als Informations- und Kommunikationswerkzeuge als auch insbesondere als Erinnerungs-, und Koordinationswerkzeuge<br />

genutzt werden; Medien bei ihnen also auch dazu dienen, Brücken zum Herkunftskontext<br />

herzustellen und emotionale Fürsorgegemeinschaften aufrechtzuerhalten (Greschke 2015). Medien werden so<br />

immer auch dazu genutzt, sich zwischen dem Herkunfts- und Ankunftsland in „hybriden Räumen“ (Nederveen<br />

Pieterse 1998; Pries 1998, 2008) translokal über Ländergrenzen hinweg zu verorten.<br />

Die immense Bedeutung des Internet bzw. der zeit- und raumunabhängigen Kommunikation wird dann insbesondere<br />

im Kontext von Fluchtbewegungen deutlich. So zeigt eine aktuelle explorative Studie mit unbegleiteten<br />

minderjährigen Flüchtlingen (Kutscher/Kreß 2015), dass es zu den ersten Handlungen der jungen Geflüchteten<br />

im Aufnahmeland gehört, sich ein Mobiltelefon zu besorgen und einen Account in dem aktuell populärsten<br />

Sozialen Netzwerk einzurichten, um mit der Familie und mit Peers, aber auch mit pädagogischen Fachkräften,<br />

zu kommunizieren. Eine hohe Relevanz haben auch Deutsch-Lern-, Übersetzungs- sowie Navigations-Apps.<br />

Darüber hinaus zeigen sich auch bei Geflüchteten jugendtypische Nutzungsweisen unabhängig vom Flüchtlingsstatus,<br />

insbesondere in Bezug auf die Identitätsarbeit über Netzwerkprofile. Resümiert wird in der Studie,<br />

„dass digitale Medien und Dienste für die soziale und bildungsbezogene Teilhabe der jungen Flüchtlinge von<br />

hoher Relevanz und quasi alternativlos sind“ und „integrierende Potenziale eröffnen“ (ebd, S. 3).<br />

Insgesamt finden sich somit einige Hinweise dafür, dass die Kommunikation über digitale Medien bei Jugendlichen<br />

mit Migrationshintergründen und insbesondere auch geflüchteten Jugendlichen eine noch stärker sozial<br />

unterstützende Funktion hat als bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund. Insbesondere bei geflüchteten<br />

Jugendlichen kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass sie mit Ankunft in Deutschland Zugang zum<br />

Internet haben. In den stationären Einrichtungen, in die sie teils aufgenommen werden, ist der Zugang begrenzt,<br />

eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Chancen und Risiken digitaler Medien findet hier auch nicht statt<br />

(ebd.).<br />

Einfluss auf die Ausstattung und Nutzung von Medien nimmt, dies wurde bereits deutlich, auch die Kategorie<br />

Geschlecht. So sind junge Frauen insgesamt besser mit Digitalkameras ausgestattet, junge Männer mit festen<br />

Spielekonsolen und Computer/Laptop (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2015, S. 7ff.). Für<br />

die Frage nach der sozialen Ungleichheit ist vor allem das Mediennutzungsverhalten relevant. So zeigt sich nach<br />

wie vor, dass Medien mit ihren Inhalten unterschiedliche Passungsverhältnisse ermöglichen. Der soziale und<br />

interaktive Austausch mit Anderen und die Buchlektüre im privaten Umfeld („bedroom-culture“, McRobbie/Garber<br />

1979, S. 224) ist laut repräsentativer Studien im Jugendalter weiterhin eher für junge Frauen attrak-

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