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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 178 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

2.3 Verselbstständigung als Kernherausforderung des Jugendalters<br />

Bis in die 1990er Jahre hinein wurde Jugend grundlegend als Zeitraum der Transition, der Handlungsentlastung<br />

bzw. der Erlangung von Handlungsfähigkeit und Mündigkeit verstanden. In den letzten Jahren sind diese Konzeptionen<br />

der Vorstellung einer stärkeren Eigenständigkeit und Eigendynamik des Jugendalters gewichen (ausführlich<br />

Kap. 1). Mit einem solchen Verständnis von Jugend werden neue Zuschreibungen und Erwartungen an<br />

Jugendliche und ihr Handeln gerichtet. Einzelne Charakteristika und Handlungsfelder des Jugendalters unterliegen<br />

in diesem Zusammenhang historischen Veränderungen. Gleichbleibend wird die Jugend in ihrer gesellschaftlichen<br />

Verankerung aber vor allem am Grad ihrer Verselbstständigung gemessen (z. B. Olk 1989; Krüger<br />

1990). Verselbstständigung wird dabei vor allem als alltagspraktische Loslösung vom Elternhaus und als Autonomiegewinn<br />

in verschiedenen lebenspraktischen Bereichen gefasst. Als empirisch identifizierbare, zentrale<br />

Indikatoren gelten dabei die Gründung eines eigenen Haushalts, die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sowie die<br />

eigene Elternschaft (z. B. Birkelbach 1998, S.17ff.).<br />

Bilden diese Lebensereignisse des eigenständigen Wohnens, Geldverdienens und Familienlebens auch zentrale<br />

Schritte am Übergang Jugendlicher in das Erwachsenenleben, so ist die Verselbstständigung gegenüber der<br />

Herkunftsfamilie damit nur unzureichend beschrieben. So müssen für die konzeptionelle Bestimmung des Jugendalters<br />

als Lebenslage weiterhin Aspekte der autonomen Entscheidungsfindung, z. B. in den Bereichen Medienhandeln,<br />

Zusammensein mit Gleichaltrigen, Sexualität und Konsum, als Ereignisse gefasst werden, die den<br />

Übergang von der Kindheit in das Erwachsenenalter betreffen (vgl. Maschke/Stecher 2016). Selbstständiges<br />

Handeln Jugendlicher zeigt sich schließlich auch in Entscheidungen für Berufswahl und Qualifikation oder im<br />

Bereich der Mobilität von Jugendlichen sowie in der Wahrnehmung bürgerschaftlicher Beteiligungsformen, wie<br />

Wahlen oder ehrenamtliche Arbeit.<br />

Insbesondere die letztgenannten Handlungsbereiche stellen allerdings eher Selbstpositionierungen Jugendlicher<br />

innerhalb der Gesellschaft dar und werden deshalb in Kapitel drei dieses Berichts ausführlich behandelt. Mit<br />

Blick auf die Abbildbarkeit der entsprechenden Indikatoren stehen im Folgenden die zuerst beschriebenen Lebensereignisse<br />

der Haushaltsgründung, der Einmündung in den Beruf und der Familiengründung im Zentrum,<br />

über die gleichzeitig historische Verschiebungen in den Prozessen der Verselbstständigung wie auch strukturelle<br />

Ungleichheiten zwischen sozialen Gruppen sichtbar werden.<br />

Historische Verschiebungen dieser Ereignisse im Lebenslauf bestehen in einer deutlichen Abnahme der Erwerbstätigkeit<br />

sowohl unter Jugendlichen als auch unter jungen Erwachsenen und in einem kontinuierlichen<br />

Anstieg des Heiratsalters um sieben bis acht Jahre seit den 1960er Jahren (vgl. Kap. 1). Zum Auszugsalter aus<br />

dem Elternhaus und zur Gründung eines eigenen Haushalts liegen hingegen unterschiedliche Befunde vor.<br />

Zugleich zeigen Analysen auf der Basis des AID:A-Surveys 2014, dass zentrale Lebensereignisse der alltagspraktischen<br />

Verselbstständigung nicht für alle Jugendlichen im gleichen Lebensalter stattfinden, sondern dass<br />

diese u. a. wesentlich an die Bildungsbeteiligung gekoppelt sind (vgl. Abb. 2‒12).

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