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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 408 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

Mensch u. a. 2015) 100 oder die Erstellung von Checklisten auf der Basis des Index für Inklusion<br />

(Booth/Ainscow 2003; Boban/Hinz 2013; Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft 2011) genannt, die zum<br />

Teil orientiert anhand von zentralen Fragestellungen die Entwicklungen quer durch alle Träger und Formen der<br />

Kinder- und Jugendarbeit vorantreiben wollen (vgl. z. B. Oskamp 2013, Aktion Mensch u. a. 2015, S. 52ff.). 101<br />

Im Bereich der JuleiCa-Schulungen wurden neue Module erarbeitet, die es auch jungen Menschen mit Behinderungen<br />

ermöglichen sollen, eine Jugendleiterinnen- bzw. Jugendleiter-Card zu erhalten (vgl. z. B. Landesjugendring<br />

Berlin 2014; Evangelische Jugend im Rheinland 2011). Schließlich entwickeln sich an einer Reihe von<br />

Orten neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Trägern der Kinder- und Jugendarbeit und der Behindertenhilfe<br />

und somit auch neue Schnittstellen. Darüber hinaus entstanden zahlreiche Positionspapiere, Stellungnahmen<br />

und Empfehlungen (vgl. als Beispiele bis 2014 die Liste in Aktion Mensch u. a. 2015, S. 116). Im Mittelpunkt<br />

steht immer wieder die Frage, wie es gelingen kann, Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen (zugeschriebenen)<br />

Behinderungen und Beeinträchtigungen trotz und gerade wegen ihrer häufig ganz anders geprägten<br />

Lebenswelten (Sonderbeschulung, Werkstätten, Therapien, Ausschluss aus Freizeitangeboten am Nachmittag,<br />

etc.) (vgl. Beck 2013) in die sehr verschiedenen Angebote der Kinder- und Jugendarbeit einzubeziehen – und<br />

auch ihnen Räume der Selbstorganisation, Mitbestimmung und des Engagements zu bieten – wobei eine wichtige<br />

Form dabei auch die Unterstützung und strukturelle Einbettung (z. B. in Form der Aufnahme in die Jugendringe<br />

oder der Kooperation mit anderen Verbänden) von entsprechenden Jugendverbänden, wie z. B. der Gehörlosenjugend<br />

102 , Initiativen und anderen Formen der Selbstorganisation sein könnte. 103<br />

In einem relativ scharfen Kontrast zu diesen ersten Schritten und Suchbewegungen von „Kinder- und Jugendarbeit<br />

auf dem Weg zu inklusiven Gestaltungsprinzipien“ (Voigts 2014) stehen Positionen, die vorrangig die Defizite<br />

des Fachdiskurses betonen. So beklagt – hier stellvertretend für andere – Dannenbeck (2014) mit Bezugnahme<br />

auf die soziale Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, dass die bisherigen Debatten und Bemühungen die<br />

eigentliche „normativ-politische Dimension“ verfehlen würden. Demnach ginge es „nicht in erster Linie und<br />

ausschließlich (um) eine Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderung (...), sondern (um) die<br />

Entwicklung und Sicherstellung einer diskriminierungsfreien sozialen Praxis, die am Recht auf uneingeschränkte,<br />

gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe aller Menschen orientiert ist“ (Dannenbeck 2014, S. 488).<br />

So plausibel derartige Forderung auch sind, so steht die Praxis der Kinder- und Jugendarbeit immer wieder vor<br />

der Frage, was es im Horizont derartiger Ansprüche eigentlich heißt, offen für alle jungen Menschen sein zu<br />

wollen, und was es heißt, die eigenen Angebote Schritt für Schritt in Richtung Inklusion umzubauen. Da hilft es<br />

nur begrenzt, festzuhalten, dass die Auseinandersetzung mit Inklusion und Exklusion „immer schon zu den<br />

zentralen Diskursen“ (Hafeneger 2008, S. 332) der Kinder- und Jugendarbeit zu zählen sei und „zentrales Credo<br />

und Konstitutionsmotiv der politisch-anwaltschaftlichen Tradition und der disziplinären Debatten des praktischen<br />

Feldes“ (ebd.) sei. Auch der Hinweis auf das partizipative Selbstverständnis mag sie zwar auf einer sehr<br />

allgemeinen Ebene als „konzeptionell hoch anschlussfähig“ (Bundesjugendkuratorium 2012, S. 26) an ein Konzept<br />

von Inklusion erscheinen lassen, das das Subjekt mit seinen Teilhaberechten in den Mittelpunkt stellt; die<br />

eigentlichen Herausforderungen liegen jedoch viel tiefer. Es gilt zu klären, was mit Inklusion praktisch und<br />

konzeptionell in den jeweiligen Feldern der Kinder- und Jugendarbeit ernsthaft gemeint sein soll. Soll dieser<br />

Begriff im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit nicht Gefahr laufen, zu einer „vollmundigen Leerformel“<br />

(Theunissen 2011, S. 156) zu verkommen, muss der vom Bundesjugendkuratorium konstatierte „Nachholbedarf“<br />

angegangen werden. Für die Kinder- und Jugendarbeit und ihre Felder – trotz aller wichtigen Schritte<br />

bisher – „muss noch genauer erörtert und konzipiert werden, mit welchen Angeboten und Maßnahmen die skizzierte<br />

Inklusionsperspektive umgesetzt werden kann“ (Bundesjugendkuratorium 2012, S. 13). Die Überprüfung<br />

der konzeptionellen und räumlichen Zugänge auf Barrierefreiheit ist dabei ebenso vonnöten wie die Weiterentwicklung<br />

aller Arbeitsformen und Angebote, die Weiterbildung des Personals und der institutionellen Kulturen.<br />

„Inklusionslogik (…) bedeutet: Wir stellen unsere vorhandenen Einrichtungen und Strukturen auf den Prüfstand<br />

und versuchen, sie nach dem Maßstab zu gestalten, dass prinzipiell alle das Recht haben, an den Leistungen<br />

selbstbestimmt teilzunehmen und teilzuhaben (…). Darum müssen diese Gestaltungsaufgaben zu einer ständigen<br />

Gestaltungsaufgabe gemacht werden und auf diese Weise die Bedingungen für eine selbstbestimmte Teil-<br />

100<br />

101<br />

102<br />

103<br />

Vgl. https://www.aktion-mensch.de/ds/inklusion/unterricht/download.php?id=166 [14.10.2016].<br />

Vgl. auch Netzwerk Inklusion mit Medien: http://www.inklusive-medienarbeit.de [14.10.2016].<br />

Vgl. http://www.gehoerlosen-jugend.de/ [14.10.2016].<br />

Angemerkt sei allerdings, dass die umgekehrte Perspektive, wie nämlich die Kinder- und Jugendarbeit Anschluss an Angebote der Behindertenhilfe<br />

finden kann, bislang wenig bis gar nicht verfolgt wurde.

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