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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 429 – Drucksache 18/11050<br />

begegnet werden soll. Anschließend werden – zweitens – intervenierende Hilfen, vor allem die Hilfen zur Erziehung,<br />

beispielhaft befragt, wie sie Jugend angesichts prekärer Lebenskonstellationen ermöglichen. Darüber<br />

hinaus wird – drittens – reflektiert, inwieweit die sozialen Dienste für junge Menschen mit Behinderungen und<br />

Beeinträchtigungen die Lebenslagen und Lebenskonstellationen der jungen Menschen als Jugendliche und junge<br />

Erwachsene reflektieren. Und schließlich werden – viertens – die Lebenslagen geflüchteter junger Menschen im<br />

Kontext der sozialen Dienste betrachtet.<br />

Diese vier institutionellen Zugänge sind in ihrer Organisationsstruktur und Ausrichtung sehr unterschiedlich<br />

angelegt. Über diese Auswahl soll exemplarisch beschrieben werden, wie im institutionellen Gefüge des Aufwachsens<br />

durch soziale Dienste prekären Lebenskonstellationen junger Menschen begegnet und Jugend unterschiedlich<br />

ermöglicht wird.<br />

7.1 Das Übergangssystem – Qualifizierung zwischen Schule und Beruf<br />

In unterschiedlichen Kapiteln dieses Berichts wurde bereits darauf hingewiesen, dass eine „Scholarisierung“ des<br />

Jugendalters (Fraij u. a. 2015) zu beobachten ist und die Mehrheit der Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr,<br />

aber auch danach mit Fragen der (allgemeinen) Bildung und Ausbildung konfrontiert sind. Es ist charakteristisch<br />

für eine moderne Wissensgesellschaft, dass sie die gesellschaftlich-funktionalen Zuschreibungen des Jugendalters<br />

– z. B. erhöhte Qualifizierungsanforderungen – systematisch in (berufs- und hoch)schulische Institutionalisierungsprozesse<br />

überführt. Das Jugendalter ist dementsprechend durch eine Institutionalisierung von<br />

Qualifikationsprozessen geprägt.<br />

Gleichzeitig befinden sich junge Menschen in sozial ausgesprochen unterschiedlichen Lebenslagen und werden<br />

dabei zugleich mit sehr divergenten institutionalisierten Qualifizierungserwartungen konfrontiert (vgl. Kap. 2).<br />

Häufig entsteht dadurch eine soziale Spannung zwischen den institutionalisierten und den durch die Lebenslagen<br />

sozial ermöglichten Erwartungen (vgl. Kap. 2). Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, die nicht auf<br />

umfassende privat-familiäre Unterstützungsressourcen zurückgreifen können und in prekären Lebenskonstellationen<br />

leben, haben ein erhöhtes soziales Risiko des sozialen Ausschlusses im institutionalisierten Qualifizierungsprozess.<br />

Institutionelle Erwartungen und Barrieren in den entsprechenden Institutionen können dann für<br />

Jugendliche und junge Erwachsene so stark werden, dass sie den „Sinn“ in einer weiteren Beteiligung nicht<br />

mehr sehen. So können institutionelle Qualifikationserwartungen zu biografischen Ausgrenzungserfahrungen<br />

Jugendlicher und junger Erwachsener mit sozial exkludierenden Folgen führen. Kommt es zum institutionellen<br />

Ausschluss, wird die prekäre Lebenskonstellation weiter verschärft. So geht mit einem Abbruch oder Scheitern<br />

im institutionalisierten „Normal“-Qualifizierungsverlauf eine weitere Prekarisierung in der biografischen Gestaltung<br />

dieser jungen Menschen einher.<br />

Institutioneller sozialer Ausschluss kann in diesem Zusammenhang eine Folge von fehlender Anerkennung oder<br />

Diskriminierung in der Schule und schulischer Leistungen, Ausbildungslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit<br />

sowie von Abbrüchen in der Berufsausbildung sein. Insbesondere, wenn bereits im Jugendalter die weiteren<br />

Qualifizierungsmöglichkeiten und der Arbeitsmarkt verschlossen erscheinen, wenn also der Weg in die berufliche<br />

Ausbildung und in eine regelhafte Erwerbsarbeit nicht gelingt, laufen Jugendliche und junge Erwachsene<br />

Gefahr, in ihrer Qualifizierung und Verselbstständigung nachhaltig den institutionellen Erwartungen nicht zu<br />

entsprechen sowie dauerhaft von Transfereinkommen abhängig zu werden.<br />

Um Schulabbrüche und Schulabsentismus zu vermeiden, haben sich darum – regional zwar sehr unterschiedlich<br />

– sozialpädagogische Zugänge wie die Schulsozialarbeit und Jugendsozialarbeit weiterentwickelt und vielfach<br />

etabliert (vgl. Stüwe u. a. 2015). Diese sind an der Schnittstelle zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Schule<br />

angelegt und setzen an der alltäglichen Lebensbewältigung Jugendlicher an. Allerdings ist bisher nicht eindeutig<br />

zu erkennen, wie sie systematisch im institutionellen Gefüge des Aufwachsens verortet sind. Hier herrschen<br />

große regionale und Schultypen bezogene Unterschiede.<br />

Belastbare Daten, die deutschlandweit einen Vergleich über die Zugänge, Aufgabenfelder, Nachhaltigkeit etc.<br />

zulassen, liegen nur in Ansätzen vor (vgl. Speck/Olk 2010; Spies 2011; Stüwe u. a. 2015). Zu unterschiedlich<br />

sind in den Regionen die Vorstellungen der Kooperation von Kinder- und Jugendhilfe und Schule sowie Kategorisierungen,<br />

wann von Schulverweigerung oder -distanz oder -absentismus Jugendlicher gesprochen wird.<br />

Auch ist die Zuordnung der Schulsozialarbeit sehr verschieden, in einigen Fällen ist sie dem Jugendamt bzw.<br />

der Kinder- und Jugendhilfe zugeordnet und in anderen direkt in der Schule oder sogar im Schulverwaltungs-

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