09.01.2013 Aufrufe

Untitled

Untitled

Untitled

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Der Arzt zuckte die Achseln. Hinter ihm stand ein französischer<br />

Wachposten.<br />

«Kommen Sie mit», sagte Dr. Lindner, «die Toilette ist außerhalb<br />

Ihrer Zelle. Gewöhnen Sie sich daran, daß ein Wachposten Sie<br />

dorthin begleiten wird.»<br />

Ich glaube, es waren zwei bis drei Wochen vergangen, als mich<br />

der Wachposten einen Augenblick mit dem Arzt allein ließ. Ich bat<br />

ihn, Major Medenbach im Lazarett in Gastein zu verständigen, daß<br />

mein Mann sich im Innsbrucker Gefängnis befände. Er nickte mir<br />

zu. Schon nach wenigen Tagen wurde meine Zellentür etwas geöffnet,<br />

und ich erkannte in dem Türspalt Medenbach.<br />

Die Hand durfte ich ihm nicht geben, er sagte: «Leni, Peter ist<br />

frei, ich habe ihn aus dem Gefängnis holen können, dich noch nicht,<br />

aber hab Geduld — auch du wirst hier rauskommen. Unglücklicherweise<br />

muß ich morgen in die USA zurück. Peter hat meine<br />

Adresse, wir bleiben in Verbindung — bleib tapfer — good bye.»<br />

Ein Glück. Wenigstens war Peter nicht mehr im Gefängnis, vielleicht<br />

sogar in Freiheit?<br />

Von all den Erlebnissen nach dem Krieg gehören die Wochen im<br />

Innsbrucker Gefängnis zu den düstersten. Außer meinem Gang zur<br />

Toilette konnte ich kein einziges Mal die Zelle verlassen. Ich dämmerte<br />

auf meinem Strohsack dahin, ohne Hoffnung. Auch hatte ich<br />

keine Verbindung zu anderen Gefangenen. Außer dem Arzt, der<br />

immer von einem Wachposten begleitet wurde, war der Gefängniswärter,<br />

der das Essen in die Zelle brachte, die einzige Person, mit<br />

der ich sprechen konnte. Ein Mann von schwer bestimmbarem<br />

Alter, häßlich und mit auffallend abstehenden Ohren und einem<br />

merkwürdig verschwommenen Blick. Seine kleinen grauen Augen<br />

waren ausdruckslos. Dieser Mann glotzte mich immer an, wenn er<br />

das Essen brachte. Eines Tages sagte er: «Heute ist schon wieder<br />

einer aus dem Fenster gesprungen, ein bekannter Schauspieler aus<br />

Wien. Es ist schon der dritte.»<br />

«Wissen Sie seinen Namen?» fragte ich, aus meiner Lethargie<br />

erwachend. Der Mann zuckte nur mit den Achseln.<br />

Einmal sagte ich zu ihm, ich möchte sterben. Die Schmerzen<br />

waren nicht mehr auszuhalten, und mein Lebenswille war gebrochen.<br />

Der Wärter schmuggelte mir eines Tages eine Broschüre in<br />

die Zelle, in der alle Arten von Selbstmord aufs genaueste beschrieben<br />

waren. Ich las, daß Tabak oder Zigaretten, wenn sie längere<br />

Zeit in Alkohol lägen, Pilze produzieren, mit denen man sich ver-<br />

19

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!