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geholfen hatten, obgleich sie weder mich noch meine Mutter kannten.<br />

Sie waren auch nicht wohlhabend und führten ein bescheidenes<br />

Leben in New York, wo der eine als Handwerksmeister, der andere<br />

als Dentist seinen Lebensunterhalt verdiente. Zu Weihnachten hatten<br />

sie mir tausend Mark geschickt, eine für die damalige Zeit<br />

große Summe, damit ich gegen Alexandrov, der inzwischen in Paris<br />

gegen das Urteil Berufung eingelegt hatte, weiter prozessieren konnte.<br />

In meinem Dankesbrief hatte ich geschrieben, ich betrachte diesen<br />

Betrag als Darlehen, nicht als Geschenk. Ich kannte einige sehr<br />

reiche Menschen in Deutschland, die über Millionen verfügten und<br />

die sich meine Freunde nannten. Aber keiner von ihnen hat mir in<br />

meiner Notlage geholfen. Hilfe erhielt ich nur von Menschen, die<br />

selbst nicht viel besaßen.<br />

Seit Monaten lebte ich wieder in schwersten Abwehrkämpfen,<br />

eine Flutwelle schmutziger Verleumdungen überschüttete mich. Mein<br />

Leben wurde von Tag zu Tag unerträglicher. Verfolgung und Verehrung,<br />

Bewunderung und Haß umgaben mich im Wechsel. Meine<br />

Mutter und ich fühlten uns wie ein auf Treibjagd eingezingeltes<br />

Wild, das in jedem Fall früher oder später erlegt werden würde.<br />

Das wußten wir, und darum war unser Leben von unerträglicher<br />

Düsterkeit und Schwermut erfüllt. Oft fragte ich mich, wozu das<br />

alles? Warum müssen wir leben, um zu vegetieren — ein so ehrloses,<br />

quälendes Leben. Die Kräfte verließen mich mehr und mehr,<br />

die Aussichten, meinen Beruf je wieder ausüben zu können, wurden<br />

immer unwahrscheinlicher, meine Feinde immer mächtiger und<br />

ihre Lügen immer niederträchtiger. Seit Kriegsende lebte ich nicht,<br />

ich kroch im dreckigen Schlamm menschlicher Gemeinheiten umher.<br />

Nur die Sorge um meine Mutter hielt mich noch aufrecht, und<br />

im Gegensatz zu mir wollte sie leben und war so unfaßbar tapfer.<br />

Flucht in die Berge<br />

Für einige Zeit war ich wieder in die Berge geflüchtet. Da ich<br />

wußte, daß meine Mutter am glücklichsten in meiner Nähe war,<br />

nahm ich sie mit. Sie hatte im letzten Jahr fünfzig Pfund abgenommen,<br />

und es bestand Verdacht auf Krebs. Gemeinsam bewohnten<br />

wir bei einem Skilehrer in St. Anton ein kleines Zimmer, in dem<br />

wir uns auf einer Heizplatte etwas kochen konnten. Wir lebten hier<br />

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