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Ein ungewöhnlicher Arzt<br />

Nach wenigen Tagen lernte ich diesen Arzt kennen. Myrjan hatte<br />

ihn mit anderen Gästen eingeladen. Es wurde ein ganz besonderer<br />

Abend. Einmal brachte er mir die Bekanntschaft des Arztes, der<br />

eine Persönlichkeit war, und dann erlebte ich Carl Orff, den berühmten<br />

Komponisten, der uns auf dem Flügel seine neuesten Kompositionen<br />

vortrug. Unter den Gästen befand sich auch Edda Ciano,<br />

die Tochter Mussolinis, eine Freundin von Myrjan Blanc. Sie hatte<br />

den Arzt mitgebracht, der, wie ich erfuhr, der Hausarzt der königlichen<br />

italienischen Familie war.<br />

Sein ursprünglicher Name war Dr. Stückgold, ein gebürtiger Deutscher,<br />

der 1928 nach Italien gekommen war und sich seitdem Stuccoli<br />

nannte. Hier war er zu Ruhm und Ansehen gelangt. In Berlin hatte<br />

er seine Praxis am Wedding gehabt. Seine Klienten waren Dirnen,<br />

Zuhälter und Arbeiter. Brillant schilderte er das Milieu dieser Menschen.<br />

Er war ein ausgezeichneter Erzähler. Professor Stuccoli erklärte<br />

sich bereit, mich zu behandeln. Schon am nächsten Vormittag<br />

war ich in seiner Praxis. Es war ein großer Raum mit sehr hohen<br />

Wänden wie in einer Bibliothek, von oben bis unten mit Bücherregalen<br />

bedeckt. Der Professor, ein Mann von hünenhafter Gestalt,<br />

saß vor einem schweren antiken Schreibtisch. Nichts erinnerte an<br />

einen Arzt, kein einziger Gegenstand.<br />

Geduldig hörte er sich meine lange Krankheitsgeschichte an und<br />

las in den Unterlagen, die ich mitgebracht hatte. Als er bemerkte,<br />

daß ich mich vor einer schmerzhaften Untersuchung fürchtete, lächelte<br />

er und sagte: «Ich brauche Sie nicht zu untersuchen. Ihr<br />

Krankheitsbild ist mir klar. Sie haben eine weit fortgeschrittene<br />

chronische Zystitis, die mit den üblichen Behandlungsmethoden<br />

nicht mehr geheilt werden kann. Es gibt nur eine Möglichkeit, diese<br />

Krankheit zum Stillstand zu bringen und Sie vor den schmerzhaften<br />

Koliken zu bewahren. Aber diese Behandlung ist gefährlich,<br />

und nur Sie allein können die Entscheidung treffen, ob Sie das<br />

Risiko eingehen wollen.» Gespannt fragte ich den Arzt, worin die<br />

Gefahren bestünden und was ich tun müßte.<br />

Er sagte: «Ein Teil Ihrer Blase ist seit Jahrzehnten von Colibakterien<br />

zerstört. Millionen von Bakterien sitzen in den tiefsten Falten des<br />

kranken Organs. Um sie alle für lange Zeit zu vernichten, müßten Sie<br />

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