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der Stücke zu enträtseln, aber die Darstellung, die Verwandlungskunst<br />

der Schauspieler, ihre Masken und Kostüme machten mir<br />

einen großen Eindruck. Es war ein ästhetischer Genuß.<br />

Noch hatte ich nicht erfahren, welches Programm man mit mir<br />

vorhatte, abgesehen von den Interviews. Wenn ich danach fragte,<br />

gab man sich ziemlich geheimnisvoll. An einem Nachmittag fuhren<br />

wir in ein Fernseh-Studio. Dort führte mich der japanische Regisseur<br />

hinter eine große Leinwand und bat mich, einen Augenblick zu<br />

warten. Ich war gespannt. Da vernahm ich hinter der Leinwand<br />

lang anhaltenden Applaus und hörte anschließend einen Japaner<br />

eine Ansprache halten und hörte meinen Namen. In dem gleichen<br />

Augenblick wurde die Leinwand hochgezogen, Scheinwerfer strahlten<br />

mich an, ich war geblendet — und schon war ich von jubelnden<br />

Japanern und Japanerinnen umringt. Was war geschehen? Die Filmgesellschaft<br />

hatte alle noch lebenden japanischen Teilnehmer der<br />

Berliner Olympiade nach Tokio eingeladen, auch solche, die wie<br />

Kitei Son im Ausland lebten. Ihnen war in diesem Studio die Vorführung<br />

meines Olympiafilms angezeigt worden, aber sie hatten<br />

keine Ahnung, daß ich selbst anwesend sein würde. Deshalb war<br />

ihre Überraschung, als der Vorhang aufging und ich auf der Bühne<br />

stand, für sie ebenso groß wie für mich. Und genau das hatte der<br />

Regisseur beabsichtigt und als Szene für seinen Film aufnehmen<br />

lassen. Ich verhehle nicht, daß ich von soviel Sympathie und Anerkennung<br />

ergriffen war. Ich durfte nicht an mein Heimatland denken.<br />

Die Wiederbegegnung mit den Athleten jener Tage nach über vier<br />

Jahrzehnten wurde mit einer großen Feier begangen. Einige erkannte<br />

ich wieder, vor allem Tajima, der im Dreisprung Weltrekord<br />

sprang, auch Nishida, der damals in einem fünf Stunden dauernden<br />

Kampf im Stabhochsprung die Silbermedaille erringen konnte. An<br />

meinem Schneidetisch hatte ich sie unzählige Male gesehen. Mr.<br />

Ono, der diese tolle Idee hatte, und dem es auch gelungen war, sie<br />

zu verwirklichen, strahlte.<br />

Bevor ich zurückflog, zwei Wochen war ich dort, arrangierte die<br />

Gesellschaft für mich eine Fahrt nach Kioto und Osaka. Der Filmkritiker<br />

Ogi und Noriko begleiteten mich. Was ich in Kioto sah,<br />

übertraf alle meine Erwartungen. Diese Welt, in der Tradition und<br />

Moderne wie selbstverständlich einander durchdringen, übte eine<br />

faszinierende Wirkung auf mich aus. Die kunstvollen Gärten, die<br />

Tempel und Teehäuser besitzen einen ungeahnten Zauber. Ich verstand,<br />

warum der japanische Stil, der Überflüssiges wegläßt und<br />

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