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trennen. Vom ersten Augenblick an war mir klar, daß ich ihr Wesen<br />

nur dann wirklich erfassen konnte, wenn ich ihre Sprache erlernte.<br />

Von Tag zu Tag verstand ich mehr von ihren Worten. Ich hatte<br />

immer ein Notizbuch und Bleistift bei mir. «Joka-i» war das wichtigste<br />

Wort, das ich erriet, es bedeutet, «was ist das?» Nun brauchte<br />

ich nur auf einen Gegenstand zu zeigen und «Joka-i» zu fragen,<br />

dann riefen die Kinder das richtige Wort. Schon nach kurzer Zeit<br />

war mein Wortschatz groß genug, um mich zu verständigen. Meine<br />

Beziehung zu den Nuba wurde dadurch immer besser. Wo ich auftauchte,<br />

sangen die Kinder: «Leni buna Nuba — Nuba buna Leni»<br />

(Leni hat die Nuba gern — die Nuba haben Leni gern).<br />

Über unser Leben unter diesen Menschen, wie ich es empfand,<br />

schrieb ich nach Hause:<br />

25.12.1962<br />

Liebste Mutter,<br />

gestern am Heiligen Abend waren meine Gedanken bei Dir, Du<br />

kannst Dir nicht vorstellen, wie einfach wir hier leben, aber Du<br />

kannst mir glauben, daß dieses Leben, unbelastet von allen Einrichtungen<br />

unserer Zivilisation, etwas Befreiendes hat. Herrlich ist<br />

es, daß wir Tag und Nacht in der frischen Luft zubringen, daß wir<br />

weder durch Post und Telefon gestört werden und keine Zeit mit<br />

unserer Garderobe verlieren. Aber das ist nicht alles. Die Schwarzen<br />

hier, unter denen wir leben, sind so lustig, daß ich keinen<br />

Augenblick Langeweile verspüre. Gestern abend, das hättest Du<br />

sehen sollen, was sich da bei uns abgespielt hat. Wir saßen zum<br />

Abendessen auf Kisten, konnten uns aber nicht rühren, weil sich<br />

auf jeder Kiste die Nuba so dicht neben uns gesetzt haben. Einige<br />

hundert Nuba waren um uns im Kreis versammelt. Der Grund der<br />

Anziehung war unser Radio, mit dem wir versuchten, die deutsche<br />

Afrikawelle zu empfangen. Für die Nuba war das etwas Fremdes,<br />

was ihnen aber sehr zu gefallen schien. Im Hintergrund standen<br />

Männer mit Speeren, im Vordergrund waren es mehr die alten<br />

Leute. Die Halbwüchsigen und die ganz kleinen Kinder saßen vor<br />

uns auf dem Boden. Es war ein seltsames Gefühl, so tief im afrikanischen<br />

Busch die Weihnachtslieder zu hören — sorge Dich nicht<br />

um mich — ich bin glücklich und gesund<br />

Deine Leni<br />

Ich vergaß zu erwähnen, daß wir seit Kadugli ein Mitglied mehr in<br />

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