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wie alte Freunde. Vor allen anwesenden Künstlern zog er mir einen<br />

Schuh aus und hauchte einen Kuß auf meine Fußspitze. Es war einfach<br />

verrückt — wie sollte ich das alles verkraften. Grierson wollte<br />

unbedingt, daß ich prozessierte, er wollte die Kosten übernehmen.<br />

«Daily Mail» und andere englische Zeitungen hatten Berichtigungen<br />

oder Interviews mit mir gebracht, wodurch glücklicherweise ein<br />

Prozeßgrund entfiel. Eine Ausnahme machte der «Daily Mirror»,<br />

eine der am meisten verbreiteten Zeitungen Englands. Der bekannte<br />

Kolumnist «Cassandra» hatte eine böse Reportage über mich geschrieben.<br />

Auf ihn hatte es Grierson abgesehen. Er wollte, daß ich ihn<br />

und die Zeitung verklage, um, wie er sagte, einen Präzedenzfall zu<br />

schaffen.<br />

Mr. Crowe, ein angesehener englischer Anwalt, übernahm den<br />

Fall, nachdem er sich an Hand von Unterlagen über die Gewinnchancen<br />

informiert harte. Die Stimmung war damals in England<br />

nicht sehr deutschfreundlich, verständlicherweise. Im Jahr zuvor<br />

waren in verschiedenen deutschen Städten Grabsteine jüdischer<br />

Friedhöfe in scheußlicher Weise mit Hakenkreuzen beschmiert worden.<br />

Auch meine englischen Freunde bekamen das zu spüren. Als<br />

Gast eines befreundeten Ehepaares wohnte ich in Sussex, außerhalb<br />

Londons. Jeden Tag warteten vor dem Haus Journalisten, die<br />

mich sprechen wollten. Wenn ich dazu nicht mehr imstande war,<br />

wurden die Hauswände mit Hakenkreuzen bemalt. Ich wollte sofort<br />

abreisen. Meine Freunde ließen es nicht zu.<br />

Auch die ersten Zusammenkünfte mit meinem englischen Anwalt<br />

waren alles andere als angenehm. Ich fühlte mich in die Zeit<br />

der Verhöre zurückversetzt. Gründlicher noch als bei den Amerikanern<br />

und Franzosen mußte ich Hunderte von Fragen beantworten<br />

— Fragen, deren Sinn ich oftmals nicht verstand. In den ersten<br />

Stunden ließ ich alles geduldig über mich ergehen — aber langsam<br />

verlor ich die Geduld, wurde nervös und irritiert. So kam es zu<br />

einem peinlichen Zwischenfall. Als Mr. Walters, ein Mitglied der<br />

Anwaltskanzlei, mir absolut nicht glauben wollte, daß ich nichts<br />

von den Vernichtungslagern gewußt habe, schoß mir vor Zorn und<br />

Verzweiflung das Blut in den Kopf — ich verlor jede Kontrolle<br />

über mich und sprang ihn, rasend vor Wut, an die Kehle, wie mir<br />

das vor vielen Jahren schon einmal passiert war, als die französische<br />

Sureté mich zwingen wollte, ein Schriftstück zu unterschreiben,<br />

in dem stand, daß ich über die Vernichtungslager informiert<br />

war.<br />

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