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nicht mehr erkennen. Am Rücken hatten sie sich Zweige mit großen<br />

grünen Blättern angebunden, was ihnen das Aussehen unwirklicher<br />

Wesen verlieh.<br />

Vor dem Eingang des Hauses lag eine getötete Ziege. Alipo nahm<br />

meine Hand und führte mich in das Haus, darin Napi aufgebahrt<br />

war. Der Raum war voll von Freunden und Verwandten, die laut<br />

und heftig weinten, der Tote war mit vielen weißen Tüchern zugedeckt.<br />

Drei Frauen, die Großmutter, die Mutter und die Schwester,<br />

saßen auf dem Totenbett und sangen schluchzend ihre Klagelieder,<br />

auch die jungen Männer, die in die Hütte kamen, weinten hemmungslos.<br />

Auch ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten.<br />

Zwei Frauen schütteten den Inhalt ihrer Körbe über den Toten,<br />

getrocknete Bohnen und Durakörner. Ich wagte, einige Aufnahmen<br />

zu machen, niemand versuchte, mich daran zu hindern. Dann ging<br />

ich hinaus ins Freie. Auf einer großen Felsplatte stand eine Gruppe<br />

von vielleicht zwanzig Männern. Sie sahen wie aus Stein gemeißelte<br />

Statuen aus. Es waren die Ringkampffreunde Napis aus den<br />

benachbarten Hügelgemeinschaften. In ihren Händen hielten sie die<br />

blätterlosen Zweige, die Siegerpreise der Ringkämpfer. Noch seltsamer<br />

wirkten einzelne Gestalten, welche sie «Wächter der Toten»<br />

nannten. Auch sie standen auf hohen Felsplatten und sollten böse,<br />

mit den Winden kommende Geister von den Toten fernhalten. Dort<br />

verharrten sie unbeweglich, auf ihre Speere gestützt, bis der Tote<br />

ins Tal getragen wurde. Auf ihre Körper hatten sie mit Asche die<br />

Linien eines Skeletts gemalt. Auch diese «Totenwächter» waren<br />

Ringkämpfer, die mit Napi in der Seribe gelebt hatten.<br />

Es war alles so phantastisch und unwirklich, ich glaubte, mich<br />

auf einem fernen Planeten zu befinden. Es fiel mir nicht leicht,<br />

während dieser feierlichen Handlung Aufnahmen zu machen, obgleich<br />

es mir zwingend erschien, dieses Ritual einer vergehenden<br />

mythischen Kultur in Bildern festzuhalten.<br />

Auf einem freien Platz hatte sich um eine Rinderherde ein großer<br />

Kreis gebildet. Sechsunddreißig Rinder waren als Opfer für den<br />

toten Napi ausgewählt, eine unfaßbare Menge, wenn man weiß,<br />

wie arm die Nuba sind. Noch ehe das erste Rind durch einen Speerstich<br />

ins Herz getötet wurde, verließ ich den Ring.<br />

Gebannt von dem, was ich erlebte, hatte ich kaum bemerkt, daß<br />

die Dämmerung hereingebrochen war. In der Dunkelheit sah alles<br />

noch phantastischer aus. Gruppen von Frauen, die sich mit großen<br />

Tabakblättern geschmückt hatten, erinnerten an lebende Pflanzen,<br />

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