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Das Bistum Münster 7,1. Die Diözese - Germania Sacra

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626 4. Verfassung<br />

<strong>Die</strong> Scheidung zwischen Hoch- und Niedergerichtsbarkeit scheint erst im<br />

13. Jahrhundert eingesetzt zu haben. Letztere wurde als Element der Territorialbildung<br />

zu einem bedeutenden politischen Faktor, weil sie stärker in das tägliche<br />

Leben der Menschen eingriff als die Hochgerichtsbarkeit (Schubert S. 68 f.). Zur<br />

Kompetenztrennung zwischen Go- und Freigerichten s. unter bund c.<br />

Daneben bestanden noch andere Gerichte, die an geistliche Immunitäten<br />

oder an Herrschaftsansprüche adeliger Familien über kleinere Bezirke anknüpften<br />

(patrimonialgerichte). Orte, denen Stadt- oder Wigboldrechte verliehen wurden,<br />

traten auf grund landesherrlicher Privilegien aus der allgemeinen Gerichtsverfassung<br />

heraus. Sie erhielten eigene Gerichtsstände, deren Richter vom Landesherrn<br />

eingesetzt wurden oder auch von der Stadt selbst. Auch mit Marken<br />

und Forsten verbanden sich besondere Gerichte. Lehen-, Militär- und Medizinalgerichte<br />

galten besonderen Schichten der Bevölkerung. Überhaupt gab es keine<br />

Herrschaft oder Verwaltung, die nicht bemüht war, innerhalb ihrer Zuständigkeit<br />

eine eigene Gerichtsbarkeit aufzubauen. Den meisten gelang das in mehr oder<br />

weniger eingeschränkter Form.<br />

<strong>Die</strong>ser im Ablauf der Geschichte gebildeten Vielzahl von Gerichten unterschiedlichster<br />

Art, die miteinander konkurrierten, stand im Hochstift <strong>Münster</strong><br />

bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts nur ein einziges Obergericht gegenüber:<br />

das Offizialat oder Geistliche Hofgericht. Obgleich dessen Verfassung und<br />

persönliche Ausstattung eindeutig den geistlichen Stand bevorzugte, diente es<br />

der Gesamtbevölkerung als Gericht erster und zweiter Instanz, je nachdem,<br />

welchem Stand der Kläger oder Beklagte angehörte. Reformen sollten die am<br />

Offizialat von vornherein bestehenden oder eingerissenen Mißstände beseitigen,<br />

erreichten den erwünschten Erfolg aber nur in bescheidenem Maße. Fürstbischof<br />

Johann von Hoya, ein erfahrener Jurist, erkannte, daß im Volke Rechtsprechung<br />

als hohe Herrschaftsaufgabe angesehen und der Fürst nach der Qualität<br />

der im Lande tätigen Gerichte beurteilt wurde (Schubert S. 67). Er bemühte sich,<br />

neben das die Geistlichkeit bevorzugende Offizialat ein zweites Obergericht zu<br />

setzen, das Weltliche Hofgericht. Gegen den erbitterten Widerstand des Domkapitels,<br />

das sich als Sachwalter des gesamten Klerus sah, aber auch der anderen<br />

Landstände, die höhere Kosten für die Gerichtspflege fürchteten, konnte das<br />

neue Gericht nur mit Mühe durchgesetzt werden. Mangelhafte Personalausstattung<br />

und fehlende Kompetenzabgrenzung gegen das Offizialat ließen das Weltliche<br />

Hofgericht kaum zur Entwicklung kommen, zumal nun auch die Regierung<br />

und später der Geheime Rat einen Teil der obersten Rechtsprechung, vor allem<br />

in Appellationsangelegenheiten, an sich zogen.<br />

Es gehört zu den auffälligsten Schwächen des geistlichen Fürstentums, daß<br />

es ihm niemals gelang, eine einwandfreie und unparteiische Rechtsprechung zur<br />

Blüte zu bringen. Befangenheit der Richter durch verwandtschaftliche oder<br />

ständische Bindungen sowie Bestechlichkeit des durchweg unzureichend besol-

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