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Das Bistum Münster 7,1. Die Diözese - Germania Sacra

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654 4. Verfassung<br />

niger unter historisch-rechtlichen Gesichtspunkten gesehen. Entscheidend für die<br />

jeweilige Zuordnung war die Steuerkraft des Hofes. Leicht konnte so ein Erbe zum<br />

Schultenhof aufsteigen, aber auch in der Rangskala absinken.<br />

Den Haupthöfen der Villikationen (Schulten) waren im westlichen <strong>Münster</strong>land<br />

je rund 30 bis 50 Hufen unterstellt. Außerdem war jedem Schulten ein<br />

Gremium zugeordnet, zu dem vier Tegeder (decimatores) gehörten. Eine solche<br />

Organisation läßt sich für die alten bischöflichen Villikationen (Ems)büren,<br />

Nordwalde, (Stadt)lohn und Haltern nachweisen. Im östlichen <strong>Münster</strong>land lassen<br />

sich die Tegeder dagegen nicht an ihrer Amtsbezeichnung erkennen. Bemerkenswert<br />

ist jedoch, daß sich die Tegeder oder decimatores in der älteren Zeit<br />

nicht mit dem Zehnteinsammeln befaßten, wie die Bezeichnung nahelegt. Sie<br />

betätigten sich vielmehr mit dem Schulten ausschließlich in Villikationsangelegenheiten<br />

und versahen besondere Aufgaben, wie etwa Pfändungen, Einziehung<br />

von Straf geldern und Sterbfallabgaben. Wie die Schulten besaßen sie ein eigenes<br />

Besitz- und Erbrecht sowie einen eigenen Gerichtsstand unter Befreiung vom<br />

Gogericht. Damit rechneten sie zu den echten Höfen (curiae, curtes) und nicht zu<br />

den gewöhnlichen Hufen (mansi) (Schütte S. 109 ff.). Wahrscheinlich war ihre<br />

ältere Bezeichnung decanus, wie der Anführer einer Zehnergruppe beim römischen<br />

Militär bezeichnet wurde. In der karolingischen Villikationsverfassung<br />

stellten sie einen "Unterschulten" dar, der im Idealfall zehn Hufen unter sich<br />

hatte. <strong>Die</strong> Werdener Villikation Nordkirchen war z. B. um 1150 in zwei decaniae<br />

zu 22 bzw. 32 Hufen aufgeteilt, denen jeweils ein decanus vorstand, bei dem es<br />

sich keineswegs um einen Geistlichen handelte. Im Rheinland blieb die alte<br />

Amtsbezeichnung erhalten, während sie im <strong>Münster</strong>land durch das eingängigere<br />

decimator verdrängt wurde (ebd. S. 111). Immerhin scheint sich in diesem Bezeichnungswechsel<br />

auch eine inhaltliche Veränderung des Amtes niedergeschlagen<br />

zu haben, da nach der Auflösung der Villikationen die bisherigen Aufgaben<br />

der Tegeder erloschen und an deren Stelle tatsächlich die Einziehung der Zehnten<br />

trat (ebd. S. 112 f.). <strong>Die</strong> heutigen Namen der Tegeder lauten meist verkürzt<br />

Tier oder Thier, nur selten in der vollen Form Tegeder.<br />

Weniger klar läßt sich die Rolle der "Vorwerke" (heute Farwick, Vorwick,<br />

Varwerk, Forck u. ä.) erkennen, die sie innerhalb der Villikationen spielten. "Sie<br />

waren nicht in die Villikationshierarchie eingebunden, sondern ihr lediglich zubzw.<br />

nebengeordnet ... , Direktbesitz (Domäne) des Grundherrn ... , der von<br />

Verwaltern mit Hilfe von dienstpflichtigen Leuten aus der Hofesgenossenschaft<br />

bewirtschaftet wurde" (ebd. S. 114). Auch die Zahl dieser Höfe läßt sich schwer<br />

bestimmen. Viele gingen in die Klassen der Schultenhöfe oder Tegeder über.<br />

<strong>Die</strong> geringe Zahl von Freien, die über das ganze Hochstift verteilt waren,<br />

über deren Ursprung keine Klarheit zu gewinnen ist, litten unter dem Fehlen<br />

eines Herrenschutzes. Wie viele Altfreie sich früher in den Schutz eines größeren<br />

Herrn, verbunden mit dem Abstieg in die Ministerialität, begeben hatten, ist<br />

ungewiß. So hielt auch im Hoch- und Spätmittelalter unter den Freien die Ten-

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