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Die Anderen - Über mich

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<strong>Die</strong> <strong>Anderen</strong><br />

by Frauke Feind<br />

vielleicht Sandsäcke und die Person auf der Brücke verschaffte sich einen <strong>Über</strong>blick über das<br />

Ausmaß des Schadens.<br />

Das zweite Bild zeigte eine nackte, zum Teil zugedeckte Frau, die leblos im Bett lag,<br />

ihr linker Arm hing schlaff über die Bettkante hinaus. Neben ihr stand ein vollständig be-<br />

kleideter Mann, der sein Gesicht mit dem Arm verdeckte und sich von der Frau abwendete.<br />

Ziva vermutete aufgrund der Haltung, dass die Frau tot war. Aber etwas an dem Bild machte<br />

sie stutzig. Menschen, die friedlich im Bett starben, waren normalerweise nicht nackt. Und<br />

wenn der Mann ein trauernder Angehöriger wäre, würde er sich der toten Frau zuwenden, sie<br />

vielleicht in den Arm nehmen. <strong>Die</strong>se Reaktion wäre die Normale. Nur jemand, der sich<br />

schuldig fühlte, wandte sich von einem Toten ab. Also kam Ziva zu dem Schluss, dass der<br />

Mann auf dem Bild die Frau ermordet hatte und sich fassungslos fragte, was er getan hatte.<br />

Das nächste Bild zeigte einen Jungen im Teenageralter. Er saß am Schreibtisch und hielt<br />

einen Stift in der Hand. Vor ihm lag ein aufgeschlagener Block und ein geschlossenes Buch.<br />

Das Gesicht des Jungen erinnerte Ziva an Tony, wenn er so tat als würde er arbeiten, während<br />

er in Wahrheit mit einer seiner diversen Liebschaften E-Mails austauschte. Sie vermutete,<br />

dass der Junge auf dem Bild so tat, als würde er seine Hausaufgaben machen, aber irgendwo<br />

unter seinem Block einen Comic oder ein Pornoheft versteckt hatte. Bild Nummer 4 zeigte<br />

zwei Frauen, die schnell zu gehen schienen. Sie hatten Gegenstände in der Hand, die Ziva<br />

nicht erkennen konnte. Von der Umgebung konnte sie ebenfalls nicht viel erkennen, nur dass<br />

der Boden steinig aussah. Ziva zuckte mit den Schultern und schrieb ihre erste Assoziation<br />

nieder: <strong>Die</strong> Frauen fliehen aus einem Kriegsgebiet.<br />

Nachdem Ziva sechs weitere Bilder interpretiert hatte, wurde ihr ein Testbogen ge-<br />

reicht, den sie sofort als Intelligenztest erkannte. <strong>Die</strong> Instruktion zum ersten Aufgabenteil<br />

lautete: Was haben die beiden Begriffe gemeinsam? Das erste Begriffspaar war Papier –<br />

Baum. Das war leicht, beides besteht aus Holz. Das nächste Paar war schon schwieriger.<br />

Schmerz – Sirene. Ziva überlegte einen Moment, dann hatte sie es: beides sind Warnzeichen.<br />

Das nächste Paar war wieder leicht: Vogel – Luftballon. Beides kann fliegen. Im nächsten Teil<br />

des Tests sollte Ziva aus fünf Wörtern das heraussuchen, das nicht in die Reihe passte. Der<br />

nächste Teil des sprachlichen Tests verwirrte Ziva. <strong>Die</strong> Aufgabenstellung war: Erkläre das<br />

Sprichwort: „Der Krug geht solange zum Brunnen bis er bricht.“ Der Satz machte überhaupt<br />

keinen Sinn. Seit wann konnten Krüge gehen? Ziva wählte aus den vorgegebenen Antwort-<br />

alternativen die einzige, die überhaupt mit dem Thema Krug und Brunnen zu tun hatte: Krüge<br />

eignen sich wegen ihrer Bruchgefahr nicht zum Wasserholen. Aus dem nächsten Sprichwort<br />

wurde sie genauso wenig schlau. „Man soll das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.“ Wer<br />

schüttete denn bitte Kinder aus? Ziva verstand die Amerikaner immer weniger. Anschließend<br />

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