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Die Anderen - Über mich

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<strong>Die</strong> <strong>Anderen</strong><br />

by Frauke Feind<br />

*****<br />

Sawyer wanderte über ein Schlachtfeld. Er suchte nach etwas, war sich aber nicht<br />

sicher, ob es gut war, es zu finden. <strong>Über</strong>all um ihn herum lagen Tote und Verletzte, eigen-<br />

artigerweise aus den verschiedensten Kriegen. Er erkannte die Uniformen von Nazis, die<br />

blauen und grauen Anzüge der Nord- und Südstaaten Armeen, altertümliche Uniformen,<br />

Männer in Rüstungen der Kreuzritter ... Ein verwirrendes Durcheinander. Vor ihm schossen<br />

aus einem Schützengraben plötzlich einige Süd-Vietnamesen hoch und brüllten ihm wild<br />

gestikulierend irgendetwas zu, was er nicht verstand. Hinter sich hörte er ein eigenartiges<br />

Pfeifen und dann geschah es. Unmittelbar neben ihm fiel mit lautem Krachen eine Napalm<br />

Bombe auf den Boden. <strong>Die</strong> Vietnamesen standen von einer Sekunde zur anderen in Flammen<br />

und Sawyer sah die Flammenwand auch auf sich zu rasen und schrie vor Entsetzen. Bevor er<br />

noch reagieren konnte, spürte er die Flammen um sich, sah an sich herunter, sah, wie seine<br />

Haut Blasen warf, wie sie regelrecht weg schmolz. Er starb ....<br />

Mit einem entsetzten Keuchen fuhr er aus dem Albtraum hoch. Er war Schweiß ge-<br />

badet. Kate hatte auf dem Sofa gesessen, als sie Sawyer von einer Sekunde zur anderen plötz-<br />

lich unruhig werden hörte. Sie war aufgestanden, um nach ihm zu sehen und trat gerade ans<br />

Bett, als er mit einem entsetzten Keuchen aus dem Schlaf hoch schoss. Sie rutschte zu ihm auf<br />

das Bett und sah ihn besorgt an. Ausgesprochen genervt sah Sawyer Kate an. „Hey, hab dich ja<br />

offensichtlich nicht wieder geweckt, was?“ „Nein, diesmal nicht. Was war? Schon wieder ein<br />

Albtraum?“ Kate konnte Sawyer so unendlich gut verstehen. Sie wurde ja selbst immer wieder<br />

von Albträumen heim gesucht, seit ... <strong>Die</strong> junge Frau fragte sich, was sie machen konnten, um<br />

den Horror zu verarbeiten. Ein Psychologe hätte ihr erklären können, dass Sawyer und auch sie<br />

selbst unter posttraumatischem Stress litten und noch lange brauchen würden, um den Horror<br />

zu verarbeiten. Dass die Sicherheit, in der sie sich im Augenblick befanden, mehr als trügerisch<br />

war und jederzeit durch den nächsten Schrecken ersetzt werden konnte, machte es nicht gerade<br />

leichter. Natürlich hätte die Beiden über das Reden müssen, was geschehen war, um<br />

wenigstens den Versuch zu unternehmen, das Grauen zu verarbeiten, aber beide waren es nicht<br />

gewohnt, dass jemand da war, der ehrlich an ihnen interessiert war. Beide waren in<br />

schwierigen Lebenslagen immer allein gewesen und hatten gelernt, ihre Gefühle tief in sich zu<br />

verschließen. Natürlich wussten sie, dass Verleugnen extreme Erfahrungen nicht ungeschehen<br />

machte, aber eine andere Strategie hatten beide nie gelernt. Der gesunde Menschenverstand<br />

sagte Kate zwar, dass es besser gewesen wäre, über all das Geschehene zu reden, über ihre<br />

Ängste, ihre Gefühle, aber sie wusste, wenn sie Sawyer bedrängte, würde er dicht machen und<br />

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