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Die Anderen - Über mich

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<strong>Die</strong> <strong>Anderen</strong><br />

by Frauke Feind<br />

Kate hatte erschüttert zugehört. Von dem echten Sawyer, dessen Name er an-<br />

genommen hatte, und von dem Tod seiner Eltern, hatte Sawyer Kate in Sydney bereits ganz<br />

kurz erzählt. Nicht aber davon, dass er einen Menschen getötet hatte. Sawyer deutete Kates<br />

Schweigen verkehrt. Er wollte sich aus ihren Armen befreien und aufstehen, weil er dachte,<br />

sie wäre entsetzt über ihn, aber sie hielt ihn fest. „Bleib hier, Sawyer. Du glaubst hoffentlich<br />

nicht, dass ich entsetzt die Hände vor das Gesicht schlage und Mörder schreie, oder? Wenn<br />

wir hier schon Seelenstriptease machen, okay, da habe ich auch etwas beizusteuern … Ich<br />

habe … Ich habe meinen leiblichen Vater in die Luft gejagt, als ich knapp neunzehn war. Er<br />

hat meine Mutter jahrelang schwer misshandelt, <strong>mich</strong> immer wieder sexuell belästigt,<br />

stundenlang eingesperrt, wenn ihm danach war, <strong>mich</strong> begrapscht ... Er war Alkoholiker, jeden<br />

Abend total besoffen. Er hat <strong>mich</strong> zwar nie vergewaltigt, aber seine ständigen Bemerkungen,<br />

Berührungen und Blicke … Eines Tages habe ich die Gasleitung aufgedreht und als er stock-<br />

besoffen nachhause kam, hab ich ihn in sein Bett geschafft und eine brennende Kerze ins<br />

Haus geworfen. Du siehst, du bist nicht der Einzige hier, der das verdient.“ Sie schwieg er-<br />

schöpft. Nie zuvor hatte sie jemandem das anvertraut. Innerlich zitterte sie, ausgerechnet dem<br />

Mann, der seine Eltern so schmerzlich vermisste, von der Ermordung ihres Vater zu erzählen,<br />

aber gleichzeitig hatte Kate das Gefühl, hier, jetzt, in dieser beschissenen Situation steckend,<br />

war der Moment gekommen, vorbehaltlos ehrlich zu sein. Sawyer schwieg kurz, dann lachte<br />

er leise. Kein fröhliches Lachen.<br />

„Anscheinend haben wir einiges gemeinsam, was? Warum hast du mir das erzählt?“<br />

„Um dein entsetztes Gesicht zu sehen. Um zu sehen, wie schockiert du bist und um zu sehen,<br />

wie du <strong>mich</strong> weg stößt.“ Sawyer sah Kate direkt in die Augen. Und sie las in ihnen nur Liebe.<br />

Das Gleiche erkannte er in ihren Augen. „Das tu ich nicht, Freckles. Wir sind beide keine<br />

Engel, wie es scheint, und sollten uns mit Urteilen über Andere wohl zurück halten. Dein<br />

Vater scheint ein mieses Schwein gewesen zu sein. Hör zu, Kate, ich liebe dich, okay. Daran<br />

wird sich auch nichts ändern.“ Kate konnte es nicht fassen. Sie schlang ihm die Arme um den<br />

Hals und zog ihn an sich. Sie küssten sich, erst zärtlich und sanft, dann wurde der Kuss immer<br />

leidenschaftlicher. Alle Kameras aus ihren Köpfen ausblendend, begannen die Beiden, ihre<br />

Hände liebkosend über den Körper des <strong>Anderen</strong> gleiten zu lassen. Heftige Erregung spülte<br />

schließlich die letzten Bedenken weg und Sawyer rollte sich auf Kate. Leidenschaftlich<br />

liebten sie sich, sie wussten ja nicht, ob es nicht das letzte Mal sein würde. Schließlich sank<br />

Sawyer keuchend, aber glücklich, auf Kate zusammen. Sie hielt ihn fest. Hier einfach zu<br />

liegen und ihn zu spüren, in der Lage, in der sie sich befanden, grenzte an ein Wunder und<br />

dieses Wunder wollte Kate bis zum letzten Moment auskosten.<br />

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