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Die Anderen - Über mich

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<strong>Die</strong> <strong>Anderen</strong><br />

by Frauke Feind<br />

verzweifelt, ihren Partner frei zu bekommen. Sofort war John an der Seite des halb Bewusst-<br />

losen. Er wollte, er musste helfen. Trotz aller Zurückweisung und Enttäuschung, die er sein<br />

Leben lang erfahren hatte, hatte Locke sich seine Menschlichkeit bewahrt, den Drang, sich<br />

den Menschen zuzuwenden. Seit er bei den australischen Ureinwohnern seine geistige<br />

Heimat, so etwas wie eine Familie, gefunden hatte, seine Fähigkeiten gezielt trainiert, fühlte<br />

er mehr denn je, dass seine Gabe nicht sein Fluch, sondern eine Verpflichtung war.<br />

War dies hier die Aufgabe, die sein Schicksal war? Das, was er noch zu erledigen<br />

hatte, bevor er seine Heimat und seinen Frieden finden konnte? Allen diesen Menschen, die<br />

jeder auf seine Weise etwas Besonderes zu sein schienen, das Leben zu retten? Musste er den<br />

Ausweg finden, sie alle aus dieser Hölle zu befreien? John fühlte eine Verbundenheit zu<br />

diesen vor kurzem noch Fremden, wie er sie zuletzt als junger Mann in einer Hippie-<br />

Kommune erlebt hatte. Endlich hatten sie es mit vereinten Kräften geschafft, den zitternden,<br />

keuchend nach Atem ringenden Agenten auf den Boden zu legen und von dem benzin-<br />

getränkten Kittel zu befreien. Endlich kam auf das verzweifelte Flehen der Ärztin eine Wache<br />

herbei gerannt und drückte ihr die verlangte Maske in die Hand. Sie konnte den verstörten<br />

Geist ihres Partners nicht erreichen, er zuckte und wehrte sich verzweifelt. - NEIN. - dachte<br />

John. - Ich habe dich nicht vor dem Flammentod bewahrt, um dabei zuzusehen, wie du er-<br />

stickst. - Obwohl er wie immer nach der mentalen Anstrengung, seine Kräfte bewusst zu<br />

nutzen, völlig erschöpft war, nahm John noch einmal alle Kraft zusammen. Er konnte den<br />

Geist des völlig verängstigten Mannes erreichen. Sanft legte er die Hand auf die glühende<br />

Stirn, schloss die Augen, atmete tief ein. Langsam, tastend berührte er den aufgewühlten Ver-<br />

stand, zuckte einen Moment erschrocken zurück vor den Bildern des Grauens, die er sah, ver-<br />

band sich mit dem Mann, ließ ruhige, entspannte Bilder in das tiefste Innere fließen. Er<br />

zitterte vor Anstrengung, fühlte aber, wie eine tiefe Ruhe über ihn kam und sich auf den ver-<br />

störten Geist übertrug.<br />

Wie aus einem Traum erwachend, kam Johns Bewusstsein an die Oberfläche zurück.<br />

Ja, er hatte es geschafft. <strong>Die</strong> Farbe kehrte in das Gesicht unter ihm zurück. Mühsam erhob<br />

sich Locke, kam taumelnd vor Erschöpfung auf die Füße. Das Paar musste jetzt allein sein<br />

und John wünschte nur, sich hinlegen und die Augen schließen zu können. Erst jetzt bemerkte<br />

er die Beiden Wachleute, die an der Tür standen und schleppte sich auf diese zu. Man ver-<br />

zichtete darauf, ihm Fesseln anzulegen, die Männer trugen ihn mehr in seine Zelle als das er<br />

ging. Total ausgelaugt ließ Locke sich auf sein Bett fallen und schloss die Augen. Er war<br />

vollkommen erschöpft, aber auch glücklich. Ein Gefühl von innerer Wärme, tiefste Ver-<br />

bundenheit mit dem Mann, den er gerade zweimal gerettet hatte, durchflutete John wie eine<br />

Woge.<br />

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