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Die Anderen - Über mich

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<strong>Die</strong> <strong>Anderen</strong><br />

by Frauke Feind<br />

Lockes Teststrecke<br />

Ich rate, lieber mehr zu können als man macht, als mehr zu machen als man kann.<br />

Berthold Brecht<br />

„Nummer 12.“, ertönte die kalte Lautsprecherstimme und John Locke erhob sich ohne<br />

zu Zögern, um in der vorgeschriebenen Weise an die Tür zu treten. Seine Bewacher führten<br />

ihn wortlos wie immer durch lange, kahle Flure in einen Raum, der John an eine Arztpraxis<br />

erinnerte. Er deutete auf einen Stuhl und kommandierte knapp: „Hinsetzten.“ John zuckte die<br />

Schultern und gehorchte kommentarlos. Der stämmige Mann blieb neben der Tür stehen, die<br />

sich jetzt öffnete. Eine junge Frau im weißen Kittel trat ein und begann wortlos Lockes Kopf<br />

auszumessen und mit einem Stift, der Locke an Edding erinnerte, Markierungen auf seinem<br />

Schädel vorzunehmen, um danach ebenso wortlos wieder zu verschwinden. Gespannt wartete<br />

John, was nun geschehen würde. Es dauerte nicht lange, bis ein schmächtiger, blonder Mann<br />

mit Bürstenhaarschnitt erschien, der ebenfalls einen Arztkittel trug und auf eine schmale<br />

Untersuchungsliege deutete. „Hinlegen.“ Nachdem Locke der Aufforderung nachgekommen<br />

war, begann der Arzt, Elektroden auf die markierten Stellen zu kleben und John kam zu dem<br />

Schluss, dass offenbar ein EEG gemacht werden sollte, um seine Gehirnströme zu messen.<br />

„Du musst so still liegen, wie möglich, Nummer 12. Geht das oder musst du fixiert werden?“<br />

John hatte gegen diese Untersuchung keine Einwände und sah keinen Sinn darin, sich oder<br />

den Mitgefangenen Schwierigkeiten einzuhandeln, weil er gegen die Regeln verstieß. So<br />

antwortete er ruhig: „Das wird nicht nötig sein, Sir.“ Befriedigt nickte der Mann und verließ<br />

den Raum. John schloss die Augen und entspannte sich. Er dachte sehnsüchtig an das Out-<br />

back und seine Freunde dort. So zuhause hatte er sich nie zuvor gefühlt. Ob er sie wohl<br />

wieder sehen würde? Tief und regelmäßig wurde seine Atmung...<br />

„Nummer 12.“ Locke fuhr hoch, er war so weit weg gewesen, dass er den Arzt und die<br />

junge Frau nicht hatte eintreten hören. <strong>Die</strong>se schenkte ihm einen Blick, den John schwer ein-<br />

ordnen konnte, jedenfalls interessiert. Der Arzt betrachtete ihn ebenfalls sehr aufmerksam,<br />

tastete nach seinem Puls und leuchtet mit einer kleinen Lampe in seine Augen. Während die<br />

Assistentin John zu seiner Verwunderung nicht von den Elektroden befreite, legte der<br />

Mediziner eine Blutdruckmanschette an und fragte knapp: „Bist du imstande, einen Test zu<br />

Absolvieren?“ John hatte Mühe, in die Realität zurückzukehren und rieb sich die Augen,<br />

während er mühsam versuchte, sich aufzusetzen, wobei der Arzt ihm überraschenderweise<br />

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