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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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98 Determinanten des Strukturwandels im deutschen Handwerk – Studie des <strong>RWI</strong><br />

wissensbasierten Ökonomie sicher auch verstärkt als ein solches zu werten. Problematisch<br />

erscheint allerdings, dass über die erfolgreich absolvierte Meisterausbildung der<br />

Zugang zur selbständigen Berufstätigkeit geregelt ist.<br />

Die Meisterausbildung als Weg zur Erlangung einer Zugangsberechtigung ins Handwerk<br />

könnte – so unsere Vermutung – den Meisterschülern leicht die Illusion vermitteln,<br />

der Meistertitel allein sichere nach Eintritt in die Selbständigkeit schon ein befriedigendes<br />

wirtschaftliches Auskommen. 46 Allzu leicht wird dabei ein Berufsfeld mit<br />

einem <strong>für</strong> die angebotenen Leistungen tatsächlich vorhandenen Markt verwechselt. Das<br />

ist unproblematisch, solange die Marktverhältnisse im betreffenden Gewerk relativ statisch<br />

sind und das bestehende Marktgleichgewicht nicht durch zu viele Wettbewerber<br />

aus den eigenen Reihen aufgehoben wird. Für letzteres sorgt schon der Selektionsmechanismus<br />

des großen Befähigungsnachweises (vgl. Kapitel V).<br />

In dynamischen Märkten freilich kann sich die im handwerklichen Ausbildungssystem<br />

angelegte Berufsfeldfixierung durchaus kontraproduktiv auswirken. Der Schlüssel zum<br />

wirtschaftlichen Erfolg des Einzelnen liegt nicht im Erlernen und der Ausübung eines<br />

überkommenen Berufsfeldes, sondern im Erkennen und der Wahrnehmung von Marktchancen,<br />

gleichgültig, ob diese im Kerngebiet, am Rande oder ganz außerhalb des durch<br />

das Handwerksrecht definierten „Vorbehaltsbereichs“ liegen.<br />

Der hiermit angesprochene strukturkonservierende Effekt der Handwerksordnung hat<br />

jedoch noch eine andere Seite. Branchenfremde Quereinsteiger werden, solange es sich<br />

nicht um größere Unternehmen handelt, die <strong>für</strong> ihre handwerklichen Nebenbetriebe jederzeit<br />

Meister einstellen können, durch die HwO systematisch am Markteintritt gehindert.<br />

Gleiches trifft <strong>für</strong> Handwerksgesellen zu, die zwar stark an einer selbständigen<br />

Berufsausübung interessiert wären, jedoch nicht dazu bereit sind, sich dem vorgeschriebenen,<br />

mit amtlichem Segen ausgestatten Karriereweg zu unterziehen. Das bislang <strong>für</strong><br />

solche Personen geltende Verbot, sich im Handwerk selbständig zu machen, oder ihre<br />

Verweisung auf die schmaleren und weniger lukrativen Berufsfelder der handwerksähnlichen<br />

Gewerbe kann unter Umständen auf eine Abblockung neuer, unkonventioneller<br />

Ideen hinauslaufen.<br />

Aus der Innovations- und Unternehmerforschung ist nämlich bekannt, dass Außenseiter<br />

durch ihr Handeln die Märkte beleben und verkrustete Innovationsregime aufbrechen<br />

können. Unter den gegebenen Umständen erfüllen faktisch in wachsendem Maße große,<br />

handwerksfremde Unternehmen auf den Handwerksmärkten 47 diese Funktion,<br />

ihnen kann die Handwerksordnung den Markteintritt nicht verwehren. Hingewiesen sei<br />

auf das Beispiel des Facility Managements (vgl. Kapitel VI), das in einer Lesart auch als<br />

46 Hier drängen sich Assoziationen zu mentalitätsgeschichtlichen Stereotypen, wie „Handwerk hat<br />

goldenen Boden“ auf, deren (generelle) Richtigkeit freilich durch die Wirtschaftsgeschichte leicht<br />

widerlegt werden kann.<br />

47 Vgl. hierzu Fußnote 14 im Kapitel I.

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