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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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460 Determinanten des Strukturwandels im deutschen Handwerk – Studie des <strong>RWI</strong><br />

keit des Handelns der Gemeinschaftsorgane und der Mitgliedsstaaten besonders betont<br />

(Europäischer Konvent 2003: 9-10 und 229-231). Das ändert freilich wenig an der Möglichkeit<br />

von Kompetenzüberschneidungen und hieraus erwachsenden Konflikten. Die<br />

Gestaltung des Binnenmarktes gehört explizit zu den Politikbereichen, <strong>für</strong> die sich die<br />

Europäische Union und die Mitgliedsstaaten die Zuständigkeit teilen (Art. 13). Hier<br />

stellt sich natürlich die Frage, wie viel Heterogenität die wirtschaftsrechtliche Ordnung<br />

Europas auf lange Sicht verträgt. Mit Rittner (1998: 57) ist davon auszugehen, dass sie<br />

„gewiß nicht alle, aber doch sehr viele Verschiedenheiten im Recht der Mitgliedsstaaten“<br />

verträgt.<br />

Nun sind dies eher allgemeine Überlegungen, welche den aktuellen deutschen Rechtsstreit<br />

um die Inländerdiskriminierung nur am Rande tangieren. Sobald es um die langfristige<br />

Möglichkeit der Aufrechterhaltung eines deutschen Sonderrechts <strong>für</strong> den Handwerksbereich<br />

geht, sind sie indessen durchaus von Belang. Derzeit wird das deutsche<br />

Handwerksrecht in Brüssel nicht ernsthaft zur Disposition gestellt; was mit Blick auf<br />

das Postulat der Niederlassungsfreiheit zu regeln war, ist im europäischen Sinn geregelt.<br />

Angehörige der europäischen Bürokratie mögen sich despektierlich über das deutsche<br />

Handwerksrecht äußern und liberale Ordnungstheoretiker im Umkreis der Kommission<br />

in der Handwerksordnung eines der ansehnlicheren unter den verbleibenden Bollwerken<br />

nationaler Dirigismen sehen. Festzuhalten ist, die Abschaffung der Handwerksordnung<br />

steht aus Brüsseler Sicht nicht auf der Agenda. Der unmittelbare Reformdruck aus<br />

Brüssel bzw. Strassburg ist mithin auf diesem Feld einstweilen gering. Die deutsche<br />

Handwerksordnung erscheint aus europäischer Sicht als ein deutsches Sonderrecht, das<br />

die Interessen der anderen Mitgliedstaaten nur marginal tangiert; Handwerk und Kleingewerbe<br />

gelten aus Brüsseler Sicht auch nicht unbedingt als „Speerspitzen der technologischen<br />

Revolution“. Wer seine Politikempfehlungen auf eine interventionistische<br />

Interpretation der Neuen Wachstumstheorie gründet, wird sich nicht unbedingt auf die<br />

Förderung des Handwerks kaprizieren, das sich – wie dargestellt – in erheblichem Maße<br />

auf wenig dynamische Wirtschaftsbereiche konzentriert. Deutschland steht auch mit<br />

seinem Handwerksrecht keineswegs allein auf weiter Flur, sondern hat in Gestalt Luxemburgs<br />

und Österreichs in Sachen Handwerks- bzw. Gewerberecht zwei gewichtige<br />

Bundesgenossen unter den kleineren Staaten der EU. Das deutsche Handwerksrecht ist<br />

zudem aus europäischer Perspektive kaum wichtig genug, um zum exemplarischen<br />

Streitfall europäischer Rechtsangleichung zu avancieren.<br />

Würde die Kommission auf eine Änderung des Handwerksrechts drängen, könnte die<br />

Bundesregierung zweifellos wirksam gegen derartige Initiativen vorgehen. In Zweifelsfällen<br />

haben sich, wie das erfolgreiche französische Engagement <strong>für</strong> die Agrarmarktordnung<br />

zeigt, wie auch immer definierte „nationale Interessen“ über sehr lange Zeiträume<br />

hinweg gegen den Hauptstrom europäischen wirtschaftspolitischen Denkens<br />

durchgesetzt. Das deutsche Handwerksrecht nimmt sich zudem im Vergleich zur dirigistischen<br />

europäischen Agrarpolitik höchstens als „lässliche Sünde“ wider den Geist<br />

freien Wettbewerbs aus. Es tangiert die ökonomischen Interessen der Marktakteure in<br />

den anderen europäischen Ländern praktisch überhaupt nicht, sondern eigentlich nur die<br />

Interessen der deutschen Verbraucher, der deutschen Handwerker, ihrer tatsächlichen

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