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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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330 Determinanten des Strukturwandels im deutschen Handwerk – Studie des <strong>RWI</strong><br />

Hauptbetrieb und den Weisungsbefugnissen. Unterschieden werden kann zwischen weisungsgebundenen<br />

Betriebsteilen, die von der Zentrale des Unternehmens direkt gesteuert<br />

werden, oder relativ frei geführten Einzelbetrieben bzw. Filialen, die über einen Abführungsvertrag<br />

mit dem Hauptunternehmen verbunden sind. Filialsysteme, wie sie sich<br />

im Handwerk herausgebildet haben, weisen eine gewisse Spannbreite der dezentralen<br />

Entscheidungsbefugnis auf.<br />

Grundlegend sind hier die vertraglichen Beziehungen, in denen Kontrollrechte, Weisungsbefugnisse<br />

und Entscheidungsrechte festgelegt werden. Die unternehmerische<br />

Steuerung von Filialen im Handwerk wurde dabei nicht zuletzt durch die Verbreitung<br />

von neuen Kommunikationstechniken erleichtert. Im Bäckerhandwerk beispielsweise<br />

kann in einigen Unternehmen in der Backzentrale online verfolgt werden, welche Produkte<br />

in den Filialen verkauft werden und wo eventuell Vorräte zur Neige gehen. Die<br />

Kommunikationstechniken ermöglichen zudem eine Auswertung der Zeiten, in denen<br />

bestimmte Waren häufiger bzw. weniger häufig verkauft werden. Dies erleichtert die<br />

Logistik der Filialbelieferung und vermindert die Zahl der Remittenden.<br />

Ist das bestimmende und entscheidende Unternehmen kein Handwerksunternehmen,<br />

sondern beispielsweise dem Handel oder der Industrie zuzurechnen, spricht man von<br />

handwerklichen Nebenbetrieben, die ein weiteres Element des handwerklichen Vertriebssystems<br />

ausmachen. Ein Nebenbetrieb besteht z.B. dann, wenn ein Handelsunternehmen<br />

Produkte verkauft, die nur von handwerklichen Fachkräften installiert werden<br />

können (z.B. ein Kaufhaus, das Reifen verkauft).<br />

Die Verbreitung bestimmter Absatz- und Vertriebsformen – vor allem eines Mehrbetriebssystems<br />

– im Handwerk wird stark durch das im Handwerksrecht verankerte Inhaberprinzip<br />

reglementiert, das vor allem Personengesellschaften bei der Filialisierung<br />

benachteiligt. Demnach muss ein in der Rechtsform der Personengesellschaft geführtes<br />

Handwerksunternehmen von einem Handwerksmeister geführt werden, womit offensichtlich<br />

der Vorstellung gefolgt wird, dass der Meister jederzeit und unverzüglich in<br />

das Betriebsgeschehen steuernd eingreifen kann. Im Gegenzug war es Kapitalgesellschaften<br />

stets erlaubt, durch die Einstellung eines Meisters oder einer gleichwertig qualifizierten<br />

Führungskraft dieser Auflage zu entsprechen. In dieser Hinsicht ist die Abschaffung<br />

des Inhaberprinzips, die in der Novellierung der Handwerksordnung vorgeschlagen<br />

wird, zu begrüßen, eröffnet sie doch tendenziell allen Handwerksbetrieben<br />

neue Vertriebsformen.<br />

An der Frage des Inhaberprinzips stören sich vor allem die Filialisten, die sich genötigt<br />

sehen, in jeder Verkaufsstelle einen (teuren) Meister zu beschäftigen (vgl. Bundessozialgericht<br />

3 RK 25/94 vom 29.11.95). Diese Bestimmung wird häufig umgangen. Einige<br />

Betriebe haben so genannte – in der Regel nicht anwesende – „Strohmänner“ als Meister<br />

auf die Lohnliste gesetzt. In einschlägigen Gerichtsverfahren ging es beispielsweise<br />

mitunter um die Frage, ob zwei benachbarte Filialbetriebe (Damenfriseursalon auf der<br />

einen Straßenseite, Herrenfriseursalon auf der anderen Straßenseite) jeweils einen Meister<br />

vorweisen müssen. Diese Streitigkeiten seien an dieser Stelle nur deshalb angeführt,

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