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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel X: Modernisierung des Handwerksrechts 461<br />

und potenziellen Wettbewerber sowie der Interessenorganisationen des Handwerks.<br />

Eine Änderung des deutschen Handwerksrechts ist, so wäre hieraus zu folgern, im europäischen<br />

Integrationsprozess nicht zwangsläufig angelegt. Dies schließt allerdings ein,<br />

dass das deutsche Handwerksrecht an das europäische Recht anzupassen ist, wenn – wie<br />

jüngst im Falle Corsten 163 – Konflikte zwischen dem übergeordneten europäischen und<br />

dem deutschen Recht auftreten. Die Modernisierung des Handwerksrechts an sich ist<br />

bei der heutigen europäischen Rechtslage, nicht primär eine europäische Rechtsfrage,<br />

sondern ein nationales ordnungspolitisches und juristisches Problem, welches demzufolge<br />

auch allein auf der deutschen nationalen Bühne zu entscheiden ist.<br />

2.6. Modernisierung des Handwerksrechts im Kontext<br />

der Reform des Sozialstaats<br />

Deutschland steht vor der Herausforderung, tief greifende Strukturreformen in Wirtschaft<br />

und Gesellschaft zu bewältigen und den Sozialstaat zu modernisieren. Hierbei<br />

geht es nach übereinstimmender Auffassung der meisten politischen Akteure, aber auch<br />

der in der wirtschaftspolitischen Beratung engagierten Ökonomen, nicht darum, die soziale<br />

Marktwirtschaft durch eine der anglo-amerikanischen Spielarten des Kapitalismus<br />

zu ersetzen, sondern ihr ein zeitgemäßes, den Anforderungen der veränderten Umwelt<br />

gemäßes Antlitz zu geben. Die Modernisierung der westlichen Gesellschaften ging von<br />

Anfang an mit unterschiedlichen Ausprägungen der marktwirtschaftlichen <strong>Institut</strong>ionen<br />

einher, die aus institutionenökonomischer Sicht jeweils bestimmte Stärken und Schwächen<br />

aufweisen. An diesem Pluralismus der ökonomischen <strong>Institut</strong>ionen wird sich wohl<br />

auch Zukunft nichts ändern (im gleichen Sinn Abelshauser 2003: 163-171). Dies darf<br />

aber kein Argument gegen vernünftige und notwendige Reformen sein, denen sich früher<br />

oder später alle Marktwirtschaften – auch die amerikanische 164 – unterziehen müssen.<br />

Im fälligen Reformprozess müssen sich dabei zwangsläufig auch solche Einrichtungen<br />

in Frage stellen lassen, die bislang als sakrosanktes Element der gesellschaftlichen Konstruktion<br />

der Bundesrepublik galten und daher aus Prinzip nicht in Frage gestellt wurden.<br />

Der in einem über hundertjährigen Kampf der Handwerkerbewegung erstrittene<br />

große Befähigungsnachweis im deutschen Handwerk gehört fraglos zu diesen <strong>Institut</strong>ionen.<br />

Die Frage nach Nutzen und Kosten der durch den großen Befähigungsnachweis<br />

geschaffenen juristischen Markteintrittsbarriere wurde denn auch in der Politik nicht<br />

163 EuGH-Entscheid über die vom Amtsgericht Heinsberg im Zusammenhang mit dem Fall des Herrn<br />

Corsten vorgelegte Frage, ob die seitens der deutschen Behörden erhobene Forderung rechtens sei,<br />

EU-Ausländer hätten sich in jedem Fall, auch bei kurzfristiger handwerklicher Betätigung, in<br />

Deutschland in die Handwerksrolle einzutragen und die Kosten der Registrierung zu tragen. Der<br />

EuGH entschied zugunsten des Klägers und gegen die unbedingte Eintragungspflicht (EuGH 2000).<br />

Das deutsche Recht ist entsprechend anzupassen.<br />

164 Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die großen Veränderungen der <strong>Institut</strong>ionen des amerikanischen<br />

Kapitalismus im 20. Jahrhundert wie das Auf und Ab der Antitrustpolitik, Roosevelts New<br />

Deal und die Liberalisierungspolitik der Reagan-Ära.

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